Joey Bada$$ – „Lonely At The Top“: Zwischen Reife, Reflexion und neuen Wegen
Joey Bada$$ hatte 2025 bereits ein turbulentes Jahr. Sein Beef mit Westcoast-Rapper Ray Vaughn zog viel Aufmerksamkeit auf sich, ebenso wie kleinere Auseinandersetzungen mit anderen Namen der Szene. Doch anstatt ein reines Triumph-Album vorzulegen, überrascht Joey Bada$$ mit „Lonely At The Top“. Dieses Projekt ist weniger Kampfansage, sondern vielmehr eine Demonstration seiner Vielseitigkeit. Joey zeigt, dass er über den Boom-Bap hinausgewachsen ist und nun auch atmosphärischere, melodiösere Wege einschlägt.
Joey Bada$$ x Lonely At The Top – Mehr als Bars – Joey sucht Atmosphäre
Das elf Tracks starke Album lebt von einer relaxten Grundstimmung. Rap und R&B verschmelzen, Gesang und Verses greifen ineinander. Besonders spannend: Joey Bada$$ klingt auf einigen Songs stimmlich fast unkenntlich. Dieser Mut zur Veränderung unterstreicht seine künstlerische Reife. Dennoch bleibt er seinen Wurzeln treu. Der Boom-Bap, mit dem er berühmt wurde, ist präsent – aber aus neuen Perspektiven betrachtet.
Energiegeladen mit Club-Vibes
Ein echter Ausreißer nach oben ist „SUPAFLEE“ mit Bri Steves. Produziert von Pro Era-Kollege Kirk Knight, weckt der Track Erinnerungen an die Neptunes-Ära der frühen 2000er. Joey klingt locker, selbstsicher und charismatisch, während Bri Steves den Hook mit Leichtigkeit trägt. Ein weiteres Highlight für die Massen ist „READY FOR LOVE“ mit Ty Dolla $ign. Hier zeigt Joey erneut, dass er Sommerhits mit Ohrwurm-Potenzial kreieren kann. „HIGHROLLER“ mit A$AP Ferg schlägt in eine ähnliche Kerbe, wirkt aber zurückhaltender.
Joey Bada$$ x Lonely At The Top – Hommage an New York
Joey vergisst auf Lonely At The Top nie, wo er herkommt. „SWANK WHITE“ mit Westside Gunn klingt wie eine Hommage an Buffalo und Brooklyn zugleich: ein edles Sample, minimale Drums, intensive Bars. Gunn streut gewohnt seine Adlibs ein, Joey liefert Verse mit Biss. „BK’S FINEST“ wiederum bringt mit Statik Selektah, CJ Fly, Rome Streetz und Kai Ca$h gleich mehrere Stimmen der East-Coast-Szene zusammen – fast wie ein Cypher in Albumform.
Verletzlichkeit und Selbstreflexion
Neben der Härte zeigt Joey auch seine verletzliche Seite. „UNDERWATER“ ist ein Song, der mit hohem Gesang und melancholischem Inhalt überrascht. Joey wirkt hier ungefiltert und emotional – eine Seite, die man so selten von ihm hört. Direkt danach vertieft „3 FEET AWAY“ dieses Gefühl. Er reflektiert seine Beziehung zu Gott und sing-rapped von Halt und Vertrauen. Diese spirituelle Ebene gibt dem Album zusätzliche Tiefe.
Kollaboration mit Gewicht
Ein weiteres Glanzstück ist „STILL“ mit Rapsody und Ab-Soul. Erwartet hätte man ein klassisches Bar-Battle, doch stattdessen entsteht ein cineastischer Track mit klarer Struktur. Rapsody liefert den Hook, Ab-Soul glänzt mit einer verletzlich-introspektiven Strophe. Die Entscheidung gegen die übliche Rap-Schlacht zeigt Joeys Gespür für Dramaturgie.
Finale mit Verbeugung vor den Legenden
Der abschließende Titeltrack greift GangStarrs ikonisches „Moment of Truth“-Hook auf. Damit setzt Joey nicht nur ein Denkmal für New York, sondern verankert sich selbst in dieser Tradition. Das Leitmotiv Zeit durchzieht den gesamten Longplayer: Joey ist nicht mehr der hungrige Newcomer von 1999. Er ist gereifter Künstler, der Bilanz zieht, teilt und reflektiert.
Fazit: Ein reifes Kapitel in Joeys Karriere
Lonely At The Top ist ein Album der Balance. Zwischen Boom-Bap und R&B, zwischen Härte und Verletzlichkeit, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Joey Bada$$ (Youtube) verzichtet auf große Kampfansagen und liefert stattdessen Beobachtungen, Stimmungen und klare Einblicke in sein Leben. Die Produktion unterstützt diesen Ansatz mit ruhigen, eleganten Melodien anstelle von roher Härte. So präsentiert Joey eines seiner reifsten Werke bisher – und beweist, dass er auch ganz oben angekommen noch wachsen kann.