Eine Tiefenanalyse vom Album „What’s Going On“ von Marvin Gaye
Das Album „What’s Going On“ von Marvin Gaye aus dem Jahr 1971 ist zweifellos ein Meisterwerk aus vielen Gründen. Doch beinahe wäre es nie entstanden. Es markiert nicht nur den Höhepunkt eines Jahrzehnts unglaublicher Musik, sondern auch das klare Ende mehrerer Ären. James Jamerson, der legendäre Bassist, spielt eine der großartigsten Basslinien, die je aufgenommen wurden. Doch auch hier gibt es eine faszinierende Geschichte.
Marvin Gaye war Teil der Motown-Maschine, einem Plattenlabel mit Sitz in Detroit, das von Barry Gordy geleitet wurde. Motown spielte eine bedeutende Rolle bei der rassischen Integration der populären Musik. Marvin Gaye selbst war ein großer Star in dieser Maschinerie. Die Funk Brothers, eine Gruppe von Musikern, darunter der herausragende Bassist James Jamerson, waren maßgeblich an vielen Motown-Aufnahmen beteiligt.
„What’s Going On“ von Marvin Gaye – Eine Vielfalt aus Soul, Hip-Hop und RnB
Das Album „What’s Going On“ reflektiert eine Zeit der Veränderung und Unruhe in den USA. Inspiriert durch Marvins Bruder, der vom Vietnamkrieg zurückgekehrt war, sowie soziale Unruhen, Rassenspannungen und persönliche Probleme, begann Marvin, seine musikalische Ausrichtung zu überdenken. Das Album ist eine Mischung aus Upfront Soul, Classic Hip-Hop und zeitgenössischem RnB.
Ein fast gescheitertes Meisterwerk
Die Entstehungsgeschichte von „What’s Going On“ ist ebenso faszinierend wie das Album selbst. Im Jahr 1970 präsentierte ihm Obie Benson von den Four Tops einen Song, den er zusammen mit Al Cleveland schrieb. Marvin verfeinerte den Song und so wurde „What’s Going On“ geboren. Produziert von Marvin selbst und arrangiert von David Van DePitte, beinhaltet das Album auch Mitglieder der Funk Brothers sowie das Detroit Symphony Orchestra.
Die herausragende Basslinie von James Jamerson: Ein Meisterwerk im Liegen
James Jamerson, bekannt für seine einzigartigen Basslinien, spielte eine entscheidende Rolle in der Entstehung des Albums. Die Legende besagt, dass er, nachdem er in einem örtlichen Club gespielt hatte, von Marvin aufgefordert wurde, sofort ins Studio zu kommen. Jamerson, erschöpft und betrunken, legte sich flach auf den Boden und spielte die legendäre Basslinie im Liegen ein. Doch was oft übersehen wird: Er las die Noten! David Van DePitte, der Arrangeur, gibt an, dass er Jamerson die Baseline Note für Note vorspielte, und Jamerson las sie ab – betrunken, aber präzise.
„What’s Going On“ von Marvin Gaye – Von Ablehnung zu zeitloser Bedeutung
Als das Album fertig war, stieß es bei Motown-Gründer Barry Gordy auf Ablehnung. Er nannte es angeblich den schlechtesten Song, den er je gehört hatte. Doch der damalige Leiter von A&R bei Motown, Harry Balk, erkannte das Potenzial und überging Gordys Meinung. „What’s Going On“ wurde ein riesiger Erfolg und verkaufte 100.000 Kopien allein in den ersten vier Tagen. Es war Motowns meistverkauftes Album bis zu diesem Zeitpunkt.
Das Album als Zeitkapsel: Das Ende einer Ära
„What’s Going On“ markiert das Ende der 1960er Jahre, des klassischen Motown-Sounds, der Blütezeit von James Jamerson und Marvins erstem großen Erfolgsabschnitt. Das Album ist zeitlos, die Songtexte, die Arrangements, Marvins Gesang und Jamersons Bass – alles trägt dazu bei. Es ist tragisch, dass dieses Album über 50 Jahre später immer noch so relevant für unsere Welt ist. Aber es steht als eine reflektierende Pause da – eine ruhige Betrachtung des Wahnsinns der Welt, nicht wütend, sondern herzzerreißend.
Fazit: Eine zeitlose Reflexion
Das Album „What’s Going On“ von Marvin Gaye ist nicht nur ein Meisterwerk der Musikgeschichte, sondern auch eine zeitlose Reflexion über die Menschheit und ihre Herausforderungen. In einer Welt, die sich ständig wandelt, bleibt dieses Album als kraftvolle Erinnerung daran, dass Musik die Fähigkeit hat, Emotionen zu vermitteln, zu trösten und zum Nachdenken anzuregen. Macht euch selbst das Geschenk und hört dieses Album erneut – es ist ein Klassiker aus gutem Grund. Es ist immer noch auf Platz 1 der Rolling Stone Top 500 Alben aller Zeiten.