Ist jede Zivilisation zum Scheitern verurteilt? – After Skool mit Gregory Aldrete
In einem neuen Video von After Skool geht Gregory S. Aldrete, emeritierter Geschichtsprofessor, auf die Frage ein, ob jede Zivilisation zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Basierend auf den Überlegungen des antiken Historikers Polybios beleuchtet Aldrete den historischen Kreislauf, dem Zivilisationen angeblich folgen. Was können wir heute aus diesen antiken Theorien über Aufstieg und Fall von Gesellschaften lernen?
Polybios und der Kreislauf der Anacyclosis
Polybios, ein griechischer Historiker des 2. Jahrhunderts v. Chr., entwickelte die Theorie der „Anacyclosis“ – einen Kreislauf von Regierungsformen. Dieser Zyklus beschreibt, wie Gesellschaften nacheinander Monarchie, Aristokratie und Demokratie durchlaufen, bevor jede Form durch ihre korrupte Entsprechung ersetzt wird: Tyrannei, Oligarchie und schließlich Mob-Herrschaft. Sobald der Mob die Macht übernimmt, folgt Anarchie, und ein starker Führer errichtet erneut eine Monarchie. Diese „ewige Schleife“ der Anacyclosis illustriert die Dynamik, die Polybios in antiken Zivilisationen beobachtete und Aldrete zeigt, wie sich dies im Aufstieg und Fall der griechischen Stadtstaaten widerspiegelte.
Die römische Republik als Ausnahmemodell?
Laut Polybios könnte Rom jedoch eine Lösung für diesen Kreislauf gefunden haben. Die römische Republik war weder eine Monarchie, eine Aristokratie noch eine reine Demokratie, sondern eine Mischung dieser drei Staatsformen. Aldrete erklärt, dass die römische Verfassung, die Elemente von Königsherrschaft, aristokratischer Macht und Volksbeteiligung integrierte, Rom Stabilität verlieh und so das typische Schicksal anderer Zivilisationen umging. Dieses politische Gleichgewicht ermöglichte es Rom, fast ein Jahrhundert lang aufzusteigen und zu expandieren, bevor die Republik unter den Spannungen zusammenbrach, die Polybios’ Kreislauf voraussagte.
Was führte letztendlich zum Untergang Roms?
Aldrete beschreibt, dass die römische Republik trotz ihres stabilisierenden Mischsystems letztendlich scheiterte. Wachsende soziale Spannungen und die Ambitionen von Machtführern wie Julius Caesar führten zum Zusammenbruch der republikanischen Ordnung und zur Etablierung des Römischen Kaiserreichs unter Augustus. Obwohl Rom eine Zeit lang die Anacyclosis durchbrechen konnte, wurde es letztendlich Opfer des Kreislaufs, da die innere Korruption und der Machtmissbrauch das System zersetzten.
Jede Zivilisation zum scheitern verurteilt? Lektionen für moderne Gesellschaften
Abschließend fragt Aldrete, ob moderne Zivilisationen ebenfalls der Anacyclosis unterliegen. Das Beispiel Roms und die Ausführungen von Polybios zeigen, dass Machtteilung und institutionelle Balance möglicherweise helfen können, den Zerfall hinauszuzögern. Dennoch bleibt die Frage bestehen, ob alle Gesellschaften letztlich den Kräften der Korruption und des Machtmissbrauchs erliegen. Aldrete betont, dass ein Verständnis der Vergangenheit entscheidend sein kann, um aus den Fehlern früherer Zivilisationen zu lernen und die Zukunft zu gestalten.