Bon Iver – „SABLE, fABLE“ – Wenn traurige Männer plötzlich glücklich sind

Bon Iver Sable Fable

Justin Vernon war es leid, traurig zu sein. SABLE, fABLE, das erste Bon-Iver-Album seit fast sechs Jahren, markiert einen radikalen Kurswechsel: weg von melancholischem Rückzug, hin zu emotionaler Heilung und neuer Lebensfreude. Die ikonische Geschichte vom gebrochenen Mann in der Waldhütte, die For Emma, Forever Ago zur Legende machte, wird hier endgültig verabschiedet. Vernon hat öffentlich über die Last gesprochen, die Erwartungen seiner Fans zu erfüllen – sogar darüber, wie er auf der Bühne weinte, um ein Publikum zufriedenzustellen, das genau das von ihm erwartete.

Bon Iver x SABLE, fABLE – Der sanfte Übergang

Statt eines plötzlichen Bruchs beginnt SABLE, fABLE mit drei Songs der bereits veröffentlichten SABLE EP. Diese eröffnenden Stücke erinnern an frühe Bon-Iver-Klänge: fragile Akustikballaden, melancholisch, introvertiert, aber zugleich durchsetzt von stilistischen Rückverweisen auf 22, A Million und Bon Iver, Bon Iver. Titel wie „S P E Y S I D E“ wirken wie eine letzte Reise durch vergangene Landschaften. Zeilen wie „I would like the feeling gone“ und „You can be remade“ zeigen: Vernon ringt mit seinem Erbe – und überwindet es.

Licht statt Schatten

Mit dem Song „Short Story“ beginnt die eigentliche Metamorphose. Direkt darauf folgt „Everything Is Peaceful Love“, eine von 80er-Pop inspirierte Hymne, in der Vernons Falsett glasklar über ein seidenweiches Beatgerüst gleitet. Die düsteren Soundexperimente weichen luftiger Leichtigkeit. Produziert mit Jim-E Stack, klingt dieses neue Bon Iver wie eine Mischung aus R&B, Yacht Rock und futuristischem Soul – eine Musik, die sich nicht mehr entschuldigt, sondern umarmt.

Bon Iver wird sexy

Erstaunlich ist, wie direkt Vernon nun über Liebe und körperliche Nähe singt. In „Walk Home“ heißt es: „Honey, I just want the taste.“ Und in „From“: „I wanna kiss you ear from ear.“ „There’s A Rhythmn“, von Vernon als sein bisher ehrlichstes Werk bezeichnet, enthält die Zeile: „You really are a babe.“ Manche Zeilen mögen auf dem Papier kitschig wirken, doch Vernon singt sie mit einer Überzeugung, die entwaffnet. Bon Iver klingt plötzlich sinnlich – und es fühlt sich richtig an.

Bon Iver x SABLE, fABLE – Hightech trifft Herz

Trotz aller Neuerfindung bleibt das klangliche Raffinement erhalten. Songs wie „Day One“, ein Highlight mit Dijon und Jenn Wasner (Flock Of Dimes), verbinden Gospel, Soul und digitale Collagekunst. Piano und Wurlitzer flirren ineinander, Beats wabern wie aus einer fernen Zukunft. Vernon schafft es, Genres zu dekonstruieren und gleichzeitig in etwas zutiefst Menschliches zu überführen. SABLE, fABLE ist nie retro, sondern immer transformiert – vertraut und doch völlig neu.

Glück als künstlerischer Akt

Die größte Überraschung dieses Albums ist vielleicht nicht der Sound, sondern der Mut zur Freude. Vernon wagt sich in einen Raum, den viele Künstler seiner Generation meiden: Emotionale Klarheit. Statt kryptischer Texte gibt es klare Botschaften. Statt Leiden: Liebe. Statt Distanz: Nähe. Und es funktioniert. Der Bon Iver auf SABLE, fABLE ist kein gefallener Engel mehr, sondern ein Mann, der endlich zu sich gefunden hat.

SABLE, fABLE ist ein mutiger, warmer und mitreißender Befreiungsschlag. Justin Vernon beweist, dass Transformation möglich ist – ohne sich selbst zu verraten. Bon Iver klangen nie lebendiger.

Bon Iver – „SABLE, fABLE“ // Spotify Stream:

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