Ein Tag mit Firma „Kugellager Hasselhardt“

Die Montage waren immer das Schlimmste in meinen Jahren als Angestellter. Wir hatten seinerzeit ein Callcenter, welches die Termine für mich als Außendienstmitarbeiter koordinieren sollte. Recht schnell hab ich den Brüdern beigebracht, mir niemals einen Termin vor 10.00h zu machen, an Montagen frühestens ab 11.00h. Das Ganze war natürlich eine MC Winkel/CallCenter-interne Regelung, über die ich erst jetzt, 10 Jahre später, reden kann. Aber bis auf diesen einen Montag funktionierte das ganz gut.

Dieser eine Montag war glaub‘ ich der Besonderste in meiner Zeit als Account Manager, wie es damals so halbgay auf meiner Visitenkarte stand. Der erste Termin musste leider für 8.00h angesetzt werden, weil ich im Anschluss dann noch zu zwei weiteren Niederlassung derselben Firma fahren sollte. Das war die Zeit, in der ich am Wochenende noch regelmäßig feiern ging und am Sonntag selten vor 8.00h morgens zuhause war. Und nur 24 Stunden später dann der sogenannte Business-Termin, ich war befahnt wie der Reichstag und fühlte mich blümeranter als Fleurop Platinkarten-Kunden, aber es ging wohl nicht anders. Ich fuhr von zuhause aus direkt zu dieser Firma in den Grasweg in Kiel.

Es handelte sich zwar um ein freistehendes Haus im Gewerbegebiet, aber von außen sah mir das alles sehr privat aus. Ich klingelte, es dauerte etwas, aber über den Türsummer kam ich dann rein. Unter lautem Gelächter kam meine Ansprechpartnerin Frau Finkinmund samt Beischlafsfreund die Treppen herunter getänzelt. Beide gaben sich nicht den kleinsten Hauch einer Mühe zu vertuschen, dass offensichtlich soeben im oberen Bereich des Hauses noch mittelmies aber mit beidseitigem Einverständnis herumgesaut wurde. Ihr hing die Bluse halb aus der Hose, er zog sich erst auf halber Treppe ein T-Shirt über und was das da für Flecken im Oberschoß seiner türkisfarbenen Jogginghose waren – ich wollte es nicht wissen. „Guten Morgen! Na, das nenne ich aber mal eine lebensbejahende Montagmorgen-Laune!“, grinste ich dem Vögelpärchen, welches sich im Wohnzimmer inzwischen debil kichernd gegenseitig mit Kissen bewarf, zu. „Ja, Hallo Herr Winkelsen! Sorry, aber wir sind gerade erst hoch.“. „Ist auf einem Montag ja auch nur zu verständlich, Frau Finkinmund. Nur: ich dachte, ich käme hier in ein Firmengebäude? Aber Tach erstmal, Herr Finkinmund!“, sagte ich und begrüßte nun auch den Mann in turqois, mit Fleck. „Ja, Tach. Aber ich bin nicht ihr Mann, wir sind nur Freunde. Gestatten, Sven Glorihol.“. „Ach so. Ja, Tach.“.

Es war für die Uhrzeit und unter Berücksichtigung der Umstände (ich war mir sicher, beim Begrüßungs-Handschlag mit Glorihol etwas Eiweiss übertragen bekommen zu haben, hing vielleicht aber auch nur mit meiner Waschzwangsstörung zusammen) an sich ein recht okayes Treffen. Sie machte die Buchhaltung für die Firma von zuhause aus, unterschrieb die Verträge und warnte mich vor meinem nächsten Termin. „Mein Bruder lebt ziemlich ungewöhnlich, hat aber die Verträge schon ausgefüllt.“, „Na, da lasse ich mich mal überraschen. Ich klingel‘ dann dort erneut bei Finkinmund?“. „Neinein, mein Bruder heisst Frank Bakkuke, er hat den Namen seiner malaysischen Frau angenommen.“. „Ah, ich verstehe. Schüss dann.“.

Unter dem Firmenschild „Kugellager Hasselhardt“ erblickte ich die Türklingel. Erneut dauerte es etwas, bis mir jemand öffnete. „Ja Bitte?“, ein Mann mit roten Haaren, heller Haut und hellen, halbgeöffneten Augen schaute mich fragend an. „Winkelsen von der Firma KoolNOT, wir haben glaube ich einen Termin, Herr Bakkuke!“. „Finkinmund-Bakkuke.“. „Wie, w-was Doppelname?“, „Schon immer. Kommense rein!“. Er war barfuß und wie das bei so hellhäutigen Menschen öfter der Fall ist, waren seine Zehnägel viel dunkler als der besommersprosste Restfuß. Ich überlegte, wie er durch eine Inversionsbrille betrachtet wohl aussähe. Dann wäre er ein Farbiger, mit dunklen Zähnen und hellen Fußnägeln; würde auf jeden Fall besser zum Namen passen. In seiner Wohnung roch es nach Tilsiter-Fondue, ich hielt mir meine Kunstleder-Aktentasche (eine echte Ledertasche war im KoolNOT-Budget leider nie drin – echt Sünde, eigentlich) vor’s Gesicht und nahm die ausgefüllten Verträge entgegen. „Jetzt nur noch zu meiner Mutter, Hindenburgufer 187!“, sagte Bakkuke und warnte ebenfalls, „die ist seit der Trennung auch nicht mehr die Alte. Mein Vadder hat sie mit einer 21jährigen Stewardess betrogen, jetzt hat sie sich mit komischen Bildern auf allen Kennenlern-Portalen im Internet angemeldet, seien Sie bloß nett zu Mama Olday.“. „Ich werde Frau Finkinmund senior behandeln wie ein rohes Ei!“. „Neeé, sie heisst jetzt wieder wie ihr erster Mann, Hasselhardt.“. „Ach so, alles klar. Und Danke für die Verträge.“.

Eine schöne Adresse, direkt am Wasser und endlich mal etwas, was wirklich nach Firma aussah. Und was für eine charismatische Frau. Weiße, durchsichtige Bluse mit mehr geöffneten Knöpfen als Geschlossenen, spannte etwas aber ging. „Hallo Herr Winkelsen!“, begrüßte sie mich, drehte sich um und beugte sich leicht nach vorne. Scheint eine malaysische Gepflogenheit zu sein, die sie sich von ihrer Schwiegertochter (Nattaporn Bakkuke) abgeguckt hat, ich kenn‘ mich da nicht so aus. „Und sie sind Olday Hasselhardt, Mensch, so viel gehört, endlich trifft man sich mal!“. Glatt gelogen, aber wenn ich hier die Aufträge für die restlichen Firmenanschlüsse bekäme, wäre ich mit meiner Monatsprovision durch. „Ja, haha, seitdem ich wieder auf dem Markt bin, redet man über mich.“. „Ja, dem ist wohl so. Schlimme Sache, das hätte ich von Herrn Hasselhardt auch nicht erwartet.“. „Er war kein Hasselhardt, er war ja mein zweiter Mann. Ringo Kokrink-Fugenklaff, wirklich ein Schwein! Hoffentlich sehe ich ihn nie wieder.“. „Eine Tragödie, wirklich!“, sagte ich und nahm nun auch die letzten 4 Verträge mit. „Aber tolles Haus und eine wundervolle Familie haben sie, Frau Hasselhardt.“.

Die Restwoche nahm ich mir frei, hatte noch ein paar Vorjahres-Urlaubstage abzuwämmseln. Als ich eine Woche später zurück ins Büro kam, erfuhr ich als Erstes, dass alle Verträge abgelehnt wurden, es gab da wohl mal ein paar Probleme mit der Schufa bei den Finkinmund-Bakkuke-Hasselhardts. Es war wieder ein Montag. Ich zog ein Taschentuch aus meiner Vertreter-Tasche. Kunstleder.
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[MC Winkel im Interview bei ‚Sofa und Soda‚]

Kommentare

7 Antworten zu “Ein Tag mit Firma „Kugellager Hasselhardt“”

  1. Slavefriese sagt:

    Sven Glorihol und Frank Bakkuke… sauber!! ;-)

  2. Stefan sagt:

    Sehr schöne Geschichte mit sehr schönen Namen!

  3. Erdge Schoss sagt:

    Heiliges Kanonenrohr, werter Herr Winkelten, da passt man mal fünf Minuten nicht auf, und schon muss man hier Seiten blättern, dass es nur so raucht. Über die Wasserfälle lotrecht ins Nichts rauschen würde ich auch nicht, und zwar so was von. Ansonsten soweit alles klar, bis auf dass die Räder am Rollator blockieren.

    Herzlich
    Ihr Schoss

  4. Alexander sagt:

    Ha ha… Nette Geschichte. Und das mit dem arbeiten an Montagen kenne ich nur zu gut, sollte man eigentlich per Gesetz verbieten. ;-)

  5. Sumit sagt:

    haha… „Ringo Kokrink-Fugenklaff“… klingt wie ne Dichtungsring-Marke ausm Ruhrpott. Da komm ich nich her, will nur mitteilen dass es bescheuert klingt.

  6. Daniel C. Chiriac sagt:

    Sehr schöne Geschichte!

  7. Matze sagt:

    Derber Shaiz….

    HasselHardt .. Motherf***ers wonna find me… :-D

    Schwer gelacht….

    PEACE

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