Eine kleine Sache, die ich sehr gut gemacht habe

State of Awareness

Ich würde gern für alle folgenden, persönlichen Texte, die ich hier ins Blog schreibe, eine Sache zur ständigen Begleitung ins Rennen schicken: den sogenannten „State of Awareness“. Nennen wir es einfach den Grad des Bewusstseins, mit dem man im täglichen Leben auf unterschiedlichste Dinge reagiert, auf die man keinen Einfluss hat.

Fast ein bisschen stolz

Diese eine kleine Sache, auf die ich fast stolz wäre, wenn es so etwas wie Stolz in meiner Wahrnehmung noch geben würde, war ein Vorfall am vergangenen Freitag. Als Jemand, der die meiste Zeit seines Leben immer sehr unachtsam und impulsiv gehandelt hat, brauche ich im Leben so ein paar Strukturen. Deshalb habe ich ein mir ein paar Angewohnheiten draufgeschafft, auf die ich mich in meinem Tagesablauf verlassen kann und auf die ich mich im besten Fall sogar freue. Wie zum Beispiel mein allfreitäglicher Besuch bei meinem Lieblings-Inder. Jeden Freitag läute ich hier mein Wochenende ein. Ich gehe vorher immer mit dem Hund am Strand spazieren, rufe im besagten Restaurant an, bestelle eine meiner drei favorisierten Mahlzeiten (wollt Ihr wissen? Okay, Rogan Josh, Chicken Balti oder Chicken Jalfrezi, immer im Wechsel) und hole sie mir dann raus. Hin und wieder ist es dort etwas besser besucht und ich muss noch einen Moment warten, für die Wartezeit bekomme ich dann regelmäßig ein kleines, frischgezapftes Bier hingestellt. Ich sagte ja, es ist mein Lieblings-Inder.

Die Parkplatzsituation ist wie überall von Malaga bis Marbella eine reine Katastrophe. Es ist immer sehr schwer, einen Parkplatz vor den Restaurants am Strand zu bekommen, weshalb ich hin und wieder ein oder zwei Fahrzeuge zuparke und somit in Kaufe nehme, das Restaurant schnell verlassen zu müssen, wenn ich sehe, dass die Besitzer der jeweiligen Fahrzeuge zu ihren Autos zurückkehren und ausparken wollen. Ich kann das von meinem Platz beim Inder in der Regel gut erkennen, nur leider letzten Freitag nicht. Da war es sehr voll, der freundliche Betreiber des Restaurants setzte mich plus Bier an einen Tisch im hinteren Bereich und ich wartete auf meine Bestellung. Fünf Minuten vergingen, ich bekam mein Essen, trank noch aus, zahlte, verabschiedete mich freundlich und ging raus, als

ich direkt sah, dass da ein anderer Gast des Inders, der fünf Minuten zuvor den Laden verliess, seine im Auto sitzende Frau versuchte anzuweisen, um meinen Wagen herumzufahren und so auszuparken. Was nicht gelang, es war einfach zu wenig Platz und der Mann fluchte vor Aufregung. Ich rannte natürlich so schnell ich konnte zum Tatort, schrie währenddessen bereits, dass es mir sehr leid tun und ich alle Schuld auf mich nehmen würde. Ich wollte doch eigentlich nur schnell mein Essen, welches ich die Luft hielt, rausholen. Erfahrungsgemäß ist dann in 9 von 10 Fällen gut. Ich mein, was kann man mehr machen, als sich aufrichtig zu entschuldigen und gerade in Zeiten, wo einem minütlich eine Atombombe auf den Hinterkopf fallen könnte, gäbe es doch nun auch wirklich Schlimmeres, als mal eben vier Minuten zugeparkt zu sein. Oder fünf.

Fand er nicht

Das sah der ca. 50jährige Mann anders. Er beschloss, seine Wut nicht hinunterzuschlucken und sie mir stattdessen frontal ins Gesicht zu feuern. Wie dumm ich denn wohl sei, diese zwei Fahrzeuge hier einfach zuzuparken. Das hätte ich ja wohl absichtlich getan und das hätte mit gesundem Menschenverstand ja wohl rein gar nichts zu tun, nur Schweine würden sich so verhalten.

Vor noch zwei Jahren hätte so etwas garantiert keiner zu mir gesagt. Ich hätte zum sofortigen Gegenschlag ausgeholt, hätte mich vor dem Mann aufgebaut (was einfach gewesen wäre, Typ war einen Kopf kleiner als ich), hätte ihn mit bösem Blick und ekelhaft arroganter Rhetorik in seine Schranken verwiesen und hätte im schlimmsten Fall damit gedroht, meine Knuckles seinem Jochbein vorzustellen. Je nach Reaktion hätte ich ihm dann noch die Warnung mit auf den Weg gegeben, ab jetzt immer auf seinen Rücken aufzupassen, weil ich ab sofort hinter ihm her und er jetzt zu keiner Zeit mehr sicher sein würde. Hätte er sich doch bloß vorher überlegt, mit wem er sich dort anlegen würde, ich sei leider wirklich verrückt und vielleicht hätte ich sogar noch etwas vom Teufel oder Black Magic erzählt, ich war in bestimmten Zeiten in der Vergangenheit da oft sehr kreativ. Hab das mal von Danny Trejo gelernt, der sagte die Menschen bekämen immer Angst, wenn man ihnen mit irrem Kinski-Blick in die Augen schaut und sagt, man sei leider wirklich klinisch verrückt und zu Allem fähig; das ist aber eine Sache, die ihr Euch lieber nicht merken solltet.

Jedenfalls machte ich alles anders als noch vor zwei Jahren. Ich versuchte, den Mann zu beruhigen. Ich hätte mich doch nun schon bei ihm entschuldigt, es täte mir ja auch wirklich leid, ich hatte halt gehofft, … er unterbrach mich. „Hoffen? Hoffen ist nicht Wissen!“, er trat zwei Schritte zurück, dann einen Dritten, mittlerweile stand er weit genug von mir entfernt, um zum finalen Schlag auszuholen: „You are an asshole!“. Er guckte dabei sogar böse, allerdings weder wie Kinski noch wie Trejo und auch das liess mich kalt. Ich erkundigte mich zwar, ob er mich wirklich gerade Arschloch genannt hätte, riet ihm aber gleichzeitig, sich doch von so einer Lappalie nicht den Freitag Abend ruinieren zu lassen. Ich würde mir nämlich keinesfalls von Irgendjemanden meine friedliche Stimmung versauen lassen, dieses Privileg würde ich ausschließlich mir selbst vorbehalten. Ich lächelte, stieg ein und fuhr los. Er stand da noch einen Moment und guckte. Auch gar nicht mehr so böse.

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Hier noch ein kleiner Tolle für euren State of Awareness, habt einen fantastischen Mittwoch.

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