„Ich hau‘ Dich aus dem Anzug!“ – Struggle auf Etage 2

Ich habe es bereits in diversen Unternehmen feststellen können: es gibt immer gewisse Kontroversen unter verschiedenen Abteilungen, kleinere Nicklichkeiten, wenig Ernstzunehmendes. Den größten Struggle aber gibt es immer und überall zwischen den handwerklich arbeitenden Mitarbeitern und den Administrativen, oder: Anzugträgern. Als Brauerei-Praktikant habe ich es im Lager, als Azubi in der Werkstatt und als Zivi in der Küche mitbekommen: alle schimpfen auf den Chef, mehr aber noch auf die Schnösel mit Krawatte.

Nachdem ich nun selbst ein paar Jahre zu dieser Spezies gehörte, verstand ich diesen Hass sogar ansatzweise. Der gemeine Anzugträger sieht i.d.R. nicht Scheiße aus, ist gepflegt, wirkt smart und wird von 98% der Frauen angeschaut. Ich erinnere mich an einen Frühlingstag vor 10-11 Jahren, eine Verkäuferin flirtete doof rum, ich gab Ihr meine Visitenkarte und zwei Tage später schliefen wir miteinander, was nur mit Anzug funktioniert. Genau das war es, was Kollege Braun mich hassen liess – vom ersten bis zum letzten Tag unserer Zusammenarbeit.

Braun, den wir intern auch liebevoll Breezey nannten, machte aus seiner Abneigung den Anzugträgern gegenüber auch nie einen Hehl. Auf einer Firmenveranstaltung kickte er beispielsweise einfach mal eine Bierbank um, auf der ich mit ein paar weiteren Kollegen stand. Wichtige Informationen kamen, wenn überhaupt, selten pünklich. Dann konnte es auch mal sein, dass die private Telefon- oder Internetleitung instabiler war als Gemütszustände bei Schizophrenen, wofür später Bodennebel oder Sonnenflecken als Ursache genannt wurden. Nun bin ich als grundsympathischer Menschenfreund natürlich Keiner, der andere Kollegen grundsätzlich denunziert, aber als Brauns Luft aufgrund diverser Differenzen mit Vorgesetzten immer dünner wurde, ihm nach einer weiteren Abmahnung dringendst zur Zurückhaltung geraten wurde, überlegte ich mir das nochmal.

Es war wieder so eine Situation, eine Entscheidung meinerseits, die Brauns Temperament erneut überschäumen liess wie Persil den Jacuzzi. Im Affekt rannte er in Richtung meines Büros, seine Schritte lösten westlich Neuseelands einen kleineren Tsunami aus. Ich stand mit einem weiteren Kollegen und dem Auszubildenen gerade an meinem Schreibtisch, wir schauten uns die Nacktbilder einer Ex-Kollegin auf bild.de Zahlen des vergangenen Monats an, als die Tür aufgerissen wurde wie Schienenbeine im Stachelbeerfeld. Breezey, schnappatmend und mit hochroter Marmel, holte einmal tief Luft und verkündete sodann „Winkelsen, wenn sowas nochmal passiert hau‘ ich Dich aus dem Anzug.“, schon war er wieder weg. Ich schaute meine Kollegen an, meine Kollegen mich. Die Kollegen sich dann gegenseitig und schließlich einer der Kollegen mich und der andere den Anderen. Dann wieder erst beide sich, ich die Kollegen und wir dann zu dritt erneut auf den Bildschirm. „Gut, oder? Hatte ich sogar mal im Mund!“, sagte ich zu den Kollgen, die aufschauend auf mich hinunterschauten, weil ich ja saß, sie aber standen.

Am Nachmittag dann das Telefonat, auf welches ich mich während des gesamten Mittagessens (es gab Lamm) freute. Ich rief Breezey aus dem Auto an, liess die Kollegen an diesem Spektakel teilhaben, das hatten sie sich einfach verdient. „Nicht, dass ich mich nicht auf einen Boxkampf freuen würde, Braun. Aber dass ich diesen Vorfall nicht für mich behalten kann, sollte klar sein. Lass Dir ‚was einfallen, sonst sind deine Tage gezählt wie Köttbullar, nur ohne Preiselbeerenkompott, mein Bester!“. Breezey bat um ein Gespräch, die Kollegen sollten ebenfalls anwesend sein. Reumütig und mit eingezogenem Dings stand er da, es täte ihm sehr leid, er meinte das natürlich nicht so, es würde nicht wieder vorkommen und wenn ich es dem Chef erzählen würde, so könne er das verstehen. Was ich natürlich nicht tat, als grundsympathischer Menschenfreund. Aber die Zahlen vom Vormonat hatte ich wirklich mal im Mund, waren sogar ziemlich rough.
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[Diese Geschichte ist frei erfunden, jede Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre Zufall. Vielleicht aber auch nicht, oder doch. Und ja, das Bild ist aus dieser schlimmen Zeit.]

Kommentare

23 Antworten zu “„Ich hau‘ Dich aus dem Anzug!“ – Struggle auf Etage 2”

  1. Rumble@ the Office! ;-)

    „zwei Tage später schliefen wir miteinander, was nur mit Anzug funktioniert.“

    Jetzt frag ich mich…ach nee…;-)))

  2. MHW sagt:

    das foto ist, wie der Text, fantastisch…einfach smart :)

  3. singhiozzo sagt:

    Suit up an be awesome – Barney hat schon Recht, wenn er das sagt. Komplett geiler Text heute wieder, vor allem die Beschreibung, wer wen anguckt! :-D

  4. Weiß nicht, was gegen einen Anzug spricht …

    http://www.youtube.com/watch?v=mz8n2hzQ0t0

  5. mo sagt:

    das foto im anzug könnte direkt vom cover von so ner hemd-inkl-krawatte-packung von aldi stammen :D

    (was natürtlich als kompliment gemeint ist!!!)

  6. jan sagt:

    Warum hast Du noch keinen flattr-Button? Für den Post, insbesondere die Blickwechsel-Beschreibung, hätte ich Dir mein ganzes Monatskontigent alleine überwiesen! ;-)

  7. Sören sagt:

    Das hier ist ein Test-Kommentar (wenn das klappt, kommentiere ich hier wieder^^), aber wie ich auf Facebook schon schrieb, ein großes Kompliment. Da haste Dich aber ordentlich gehalten!

  8. Das ist keine Fotomontage? Du hattest das Sakko wirklich so überm Arm hängen? ;-)

  9. Erdge Schoss sagt:

    Ich, werter Herr Winkelsen,

    spiele auch ernsthaft mit dem Gedanken, hier und heute einen Testkommentar zu hinterlassen.

    Herzlich
    Ihr Erdge Schoss

  10. denzel sagt:

    „instabiler war als Gemütszustände bei Schizophrenen“

    du bist dendemanns ghostwriter, anders kann das nicht sein.
    super story!

  11. Tarek sagt:

    … so lagsam wird mir klar, warum Du da nicht mehr Deine Dienste verrichtest. Super Story mal wieder, und wer war die Kollegin in der Bild? VC oder RZ?

  12. JMK sagt:

    Alter das Anzugsfoto ist ja heftig. Hattst du auch solchen Kleiderbügel hinterm Fahrersitz hängen?

  13. kalif sagt:

    Super Text, aber wie geil ist eigentlich das Foto! Der Herr von der Hamburg-Mannheimer

  14. Alex Kahl sagt:

    Du mit Deiner Figur, kannst es aber auch tragen Winkelsen ;)

    Schöner Text und viel Wahres dran. Die Nummer mit der Karte erklärt endlich, warum Anzüge nicht als Arbeitskleidung abgesetzt werden müssen, wenn man sich nicht doof anstellt :-) Herrlich.

  15. MC Winkel sagt:

    @HansensMommelsen: Was genau? Also, den Anzug zog ich schon aus, behielt wie immer nur die Socken an. :)
    @MHW: Ich wusste, dass es Dir gefallen wird. Möchtest Du einen Abzug in 2x1m haben? :)
    @singhiozzo: :)) Danke.
    @Phil v. Sassen: Hin und wieder geht der klar. Aber eher wieder als hin.
    @mo: Aber selbstverständlich! *lol* … sehe ich auch so.
    @jan: neee, flattr suckte, brachte eher wenig und der Button hat nicht selten die ganze Seite lahmgelegt. Aber hier habe ich einen Spenden-Button, noch geiler! :)
    @Sören: Na also, super! Habe den Link zur neuen Anti-Spam-Kiste heute Abend in den Links… Da isser wieder! :)
    @Webdesign Kiel: *lol* … ja, das sollte damals für diese „Business“-Pics so sein! Echt jetzt, meine Idee war das nicht. :)

  16. MC Winkel sagt:

    @Erdge Schoss: Da möchte ich Sie, Herr Schoss, ausdrücklichst darum bitten, es zu unterlassen!
    @denzel: Neee, das wäre blasphemisch. Bei ihm reimt sich’s ja sogar noch! :)
    @Tarek: Du kennst Sie? Aber ich möchte an dieser Stelle nichts dazu sagen. :)
    @JMK: *lol* … habe ich tatsächlich noch manchmal, wenn ich mit Handgepäck innerhalb Deutschlands verreise…
    @kalif: Kann + will ich nichts dementieren. :)
    @Alex Kahl: Oh, Danke Dir! :) Aber ja, sollte ich wieder viel öfter tragen, nech. :)
    @Markus: :)) Danke.

  17. anonym sagt:

    Frage mich wirklich, wer heute noch Anzuge trägt! Je älter ich bin, desto mehr verzichte ich auf solchen Quatsch, dabei war ich schon früher quasi ein Anzugmuffel.

    Und wer die letzten paar Jahrzehnte im Arbeitsleben verbracht hat, wird wissen, daß – abgesehen von ganz bestimmten Branchen: Banker, Versicherungsheinis usw. – in den allermeisten Büros mind. 90 Prozent der Angestellten weder Krawatte noch Anzug tragen, sondern schlichte Kleidung (casual), und das schon seit sehr langer Zeit.

  18. die anke sagt:

    lieber herr winkel, ich kann es nicht glauben !!! hatten sie tatsaechlich anzug + kravatte an ??? und dann noch das sakko ueber dem arm !!! was haben sie so verkauft? versicherungen, staubsauger oder sakkos. das hemd geht ja in ordnung. ich bin der meinung, dass die meisten frauen auf gut sitzende weisse (hellblau geht auch) hemden zu einer knackigen jeans gucken und gerne auch mal mehr als gucken. hemdsaermelige gruesse

  19. Uta sagt:

    Am meisten „Bedenken“ hatte ich jetzt wirklich, weil bislang lauter Männer kommentierten….
    Aber nun zum Glück „Die Anke“……

    Zum Artikel: Frauen stehen nun mal auf Ordnung und Sauberkeit und die wird eher mit Anzug und Krawatte assoziiert, als mit Blaumann und dreckigen Fingernägeln….

  20. Uta sagt:

    Okay – ich gestehe, erst jetzt den Artikel vollständig zu Ende gelesen zu haben…..Sie wollten wahrscheinlich was „anderes“ rüberbringen…

    Trotzdem bleibst bei meinem Statement! Ihr Männer wollt ja auch eher „Blond und blöd“!??

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