Judytas Stimmbandschwäche Nullhundertneunzig

Und dann war da ja noch Judyta, eine Kollegin aus dem Call-Center, mit welcher ich ab 2001 zwei oder drei Jahre zusammenarbeiten durfte. Eine Persönlichkeitsanalyse geht hier schnell: Opel-Club (was auch in undezenten Versalien via Heckscheibe kommuniziert wurde), hinter dem Stadtkürzel ein „LL“ im KFZ-Kennzeichen (in Kiel – an keinem Ort der Welt dekodiert man die humoristische Elite schneller), den schwarzen Lidstrich bis hinter die Ohren gezogen und trotz adipösen Ansätzen in der Körpermitte nicht selten bauchfrei unterwegs. Irgendwann erzählte sie auf einer Firmenfeier von ihren beruflichen Stationen in der jüngeren Vergangenheit, unter anderem bediente sie eine „Hotline für alleinstehende Herren“, aus dem Homeoffice heraus. So sahen sie also im echten Leben aus, die lauthals wehklagenden Telefondienstlerinnen hinter den Keulnummern. Immerhin gab es jetzt etwas, was mein Interesse weckte und so kam es, dass wir zum ersten Mal ein paar Sätze wechselten.

Sie bekam die Anrufer tatsächlich über eine 0190er-Nummer direkt auf ihren Festnetzanschluss nachhause vermittelt, bekam den Lohn nach tatsächlich vertelefonierten Minuten, für Stammkunden gab es eine Prämie und wenn ihr langweilig war, startete sie einfach ein Schmuddelvideo und hielt den Hörer an den Fernseher. Reich würde man davon nicht werden, außerdem würde sowas nach ein paar Monaten ziemlich auf Psyche und Libido gehen, bei zuvielen Telefonaten am Stück außerdem auf die Stimmbänder.

Wir saßen am Freitag Abend bei Hansen und tranken Bier, als ich mit diese brandheißen Informationen spreadete. Da ich um die allgemeine Neugierde im Freundeskreis wusste, prüfte ich im Vorfelde die Spätschichten-Planung im CallCenter – strike! Judyta war eingeteilt, als ich Feierabend machte, sah ich sie sogar noch kurz im Treppenhaus. „Schöner Gürtel!“. „Ja, danke Herr Wynkelsen. Ist aber kein echtes Leder!“. Zwölf cm breit (geschätzt – man sah nicht alles, verdammtes Bindegewebe!) und weiße Lackoptik – wer hätte das jetzt gedacht. „Ah, eine Tierschützerin!“. „Wie?“. „Egal. Schönes Wochenende!“.

Natürlich rief Hansen direkt an, er war ja wirklich Kunde. Mit unterdrückter Rufnummer probierten wir es 4-5x, bis wir endlich Judyta am anderen Ende hatten. Hansens Kundenkennwort – das böse F-Wort (=Flitzpiepe) – lockerte sofort die Stimmung und nachdem das Fachliche geklärt war, bestand Hansen darauf, Judytas Stimme auf jeden Fall irgendwoher zu kennen. Nach drei sehr fremdbeschämenden Minuten gestand sie dann: „Ja, ich arbeitete einmal für eine Triple-X-Hotline. Dann haben wir dort wohl schonmal miteinander gesprochen?“. „Und ob,“ bestätigte Hansen, „ich war sogar Stammkunde!“. Ob man nun vielleicht unter den beiden Gebetsschwestern ein Gentleman-Agreement vereinbaren können würde: er bekäme ihre private Rufnummer und sie einen okayen Stundenlohn, steuerfrei auf’s Girokonto überwiesen! Ob Judyta einwilligte, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten – nur soviel: nach 8 Wochen trafen die beiden sich direkt doppelt: das erste und das letzte Mal. Als sie ein halbes Jahr später kündigte, wünschte ich ihr viel Glück für die Zukunft und frug, wo sie denn zukünftig arbeiten würde. Nagelstudio.
Ich glaube es gibt Dinge, die müssen einfach so sein.

Kommentare

27 Antworten zu “Judytas Stimmbandschwäche Nullhundertneunzig”

  1. Timm sagt:

    Du täuscht dich. In Dortmund sind sie bei den Kennzeichen hintern Städtekürzel mit „PE“ mindestens genauso witzig ;)

  2. Constanze sagt:

    Und LL heißt… Landluder?

  3. n1Ls sagt:

    Nagelstudio…

    Ein Hoch auf die Doppeldeutigkeit :D

  4. kurt sagt:

    weiss steht auch nich jedem.

  5. singhiozzo sagt:

    @Timm: Na komm Alter, seit „Bang Boom Bang“ ist DO – PE als Kennzeichen doch kult. Allerdings nur an einem standesgemäßen Fahrzeug a la Taunus oder Granada, nicht am Opel Corsa!

  6. derby sagt:

    …nach 8 Wochen trafen die beiden sich direkt doppelt: das erste und das letzte Mal!

    den merk ich mir :D

  7. Kiki sagt:

    Hier auch noch mal, damit das nicht nur auf fb steht:

    Da gibbet doch ein Plugin für, mit dem man die Facebook-Kommentare auch in WordPress anzeigen kann, oder? Facebook Comments for WordPress (http://www.grahamswan.com/facebook-comments/) ich werde das bei mir auch testhalber mal einbauen.

    Und: die Texte zu reduzieren fällt ja wohl völlig aus – nur als Linkschleuder zu interessanten Videos ist whudat.de viel zu schade! Gerade die Stories sind doch der Grund, warum man bei Dir liest! Den anderen shizznit kriege ich überall im Netz, Wayne.

  8. Timm sagt:

    @singhiozzo: Und spätestens seit da findets keiner mehr witzig ;) Der Film darf das ;)

  9. Jan sagt:

    Na hör ma! Wenns keine Texte mehr gibt, dann komm ich nicht mehr! Kannst doch nicht alles an Likes ausrichten!!

  10. MC Winkel sagt:

    @Timm: Das wiederum find‘ ich wirklich gut. Vermutlich wg. der Korritke-Assoziation! :)
    @Constanze: Absolut! :)
    @n1Ls: Ein Schlem wer Böses (dabei) denkt!
    @kurt: Stimmt genau!
    @Timm: @singhiozzo: … da muss ich auch heute noch schmunzeln. Vor allen Dingen DO-PE 69 – d.h. ja, dieses Kennzeichen muss eigentlich frei gewesen sein, als der Film gedreht wurde…
    @derby: Dabei ist der doch sogar schon … bekannt. Oder? (gut, ich haben „2x“ durch doppelt ersetzt, das ist neu! :))
    @Kiki: Ja, wie gesagt – es ist schon schön und Alles – aber es müsste so verknüpft sein, dass auch die Comments von der fb-Seite im Blog auftauchen. Ansonsten reicht mir eigentlich der Like-Button!
    @Jan: Neee, natürlich nicht. Aber so viele „Messlatten“ haben wir Blogger ja nicht. Und wenn ich sehe, dass die Texte weniger „geliked“ oder kommentiert werden, als andere Sachen, dann ist das für mich ein Zeichen – Texte dauern länger, sind persönlich (wenn auch eher oberflächlich, aber: persönlich) – und so ein Klick auf den Like-Button kostet doch nichts, Mensch! (und erzähl‘ mir nicht, Du bist nicht bei facebook! Selbst mein Vater ist bei facebook! :))

  11. chrisse sagt:

    endlich mal wieder ne story vom herrn mc, i like.

  12. David sagt:

    Mal im Ernst: Die Texte sind viel besser als diese Vlogs.

  13. Timm sagt:

    @MC Winkel: Glaub ma, dat findse nicht mehr lustig wenne siehst wat da für Leute aussteigen. Da ist der BBB-Korritke ’n harte Arbeiter gegen ;)

  14. singhiozzo sagt:

    Also Keule: ich spreche hier für viele, wenn ich sage, dass die „Der junge MC“ Nummern mit die besten Postings sind. Noch davor natürlich deine Vlogs, da geht nichts drüber. Ich habe jetzt keinen Überblick, wieviel sonst in dieser Kategorie kommentiert wird, aber vielleicht liegt es heute am Rosenmontag, an dem die ganzen Bekloppten wieder frei gelassen werden!

    Es ist einfach die bunte Mischung aus Geschichte, Vlogs, Musik, Links usw., die dir aktuell Platz drei beschert. Manchmal liegt es auch einfach am Inhalt, dass man nicht unbedingt was kommentieren kann (sogar ich als Kommentator-vom-Dienst kann manchmal nichts schreiben, weil die Zeit fehlt oder ich die Geschichte einfach „kommentarlos“ cool finde. Liken tu‘ ich aber meistens).

    Highlight beim jungen MC außerdem: Jerrys Kommentare (wo ist der heute?)!

  15. Steffen sagt:

    Anfang der 90er Jahre war im Osnabrücker Land der Humor auf Mario Barth Niveau, bei allen Kennzeichen mit SI hinter der Stadtkennung. Nette Geschichte.

  16. visus sagt:

    „in Zukunft wird es dann nicht mehr so viele Texte geben“ Kannse nich machen!

  17. Fazit sagt:

    Nö, das wäre sehr schade, MC W.
    Du kannst auch einfach bessere Texte schreiben. :-D

    Nein mal ernsthaft, das (oberflächlich) Persönliche in diesem Blog lässt die Leute doch erst andere Postings mit der richtigen Brille genießen.

    Vlogs und Jugend sind wichtige Pfeiler.

    LEVELN, nicht eingeschnappt sein. ;-)

    Der neue Text ist btw wieder saulustig.

  18. die anke sagt:

    lieber herr winkel, wie KEINE texte, das geht NiCHT!!! ich fordere minderheitenschutz !!! gerade texte, auch wenn sie länger dauern, WEIL sie persönlich sind und ich sonst ihre linguistischen höchstleistungen vermissen werde!!! muss doch nicht ?!? diese schönen wortspielereien, diese zum schmunzeln oder gar laut auflachenden beiträge will ich nicht vermissen!!! (so viele ausrufezeichen sollten sie überzeugen, bitte!!!!) und ich dachte das wird ein netter wochenstart. wortreiche grüsse

  19. Johannes sagt:

    Wegen dem Shice bist du doch abonniert!

  20. uli sagt:

    bloß nicht mit texten aufhören, die sind der kern dieses blogs!!

  21. hudson sagt:

    Solche Story müssen hier auf den Blog bleiben damit ich weiterhin breit Grinsen kann wenn ich hier vorbeischaue! Top!

  22. Lyric sagt:

    MachenSeManKeinenShice, Herr Winkelsen! Ansonsten habe ich den Vorrednern nichts hinzuzufügen. :-|

  23. MC Winkel sagt:

    @chrisse: :) … auch noch da! Freut mich!
    @David: Ich hoffe, Du meinst mit „Vlogs“ den Fremdcontent und nicht die eigenproduzierten Vlogs!!?! Denn die sind ja wohl unbeatable! :)
    @singhiozzo: Danke, Alder! Ja, hast ja recht. Ich sah‘ das bis jetzt halt auch immer so, aber dann denke ich auch, dass diese Perlen hier mehr wert sind als 4 Likes und 5 Kommentare. :) Und jetzt, wo ich da drauf hingewiesen habe, funktioniert es ja auch! Ich werde zu dieser Thematik beizeiten mal ein Einzelposting machen.
    @Steffen: Danke! :)
    @visus: Ne, ich sag‘ ja – gebt mit einfach mehr Liebe für die Texte und Vlogs, wenn diese nach wie vor die Hauptrolle spielen sollen! :)
    @Fazit: Seh ich auch so, s.o. – einmal like klicken kost‘ doch nix, Mensch! :) Und ja – durch die Texte und Vlogs ist whudat ja entstanden. Wäre also doof, wenn es plötzlich vorbei wäre… und unter uns: könnt auch gar nicht aufhören, diesen B.S. hier zu schreiben! :)
    @die anke: Ruhig Blut, ist doch alles okay, liebe Anke! :) Am besten einen facebook-Account einrichten und dann bei jeden Text/Video auf like klicken – schon freu‘ ich mich! :)
    @Johannes: Ich hoffe, der andere Kram schockt aber auch?!
    @uli: Na gut. :)
    @hudson: Na gut. :)

  24. MC Winkel sagt:

    @Lyric: Alles easy! Man darf auch nicht vergessen: war ein Montag heute. Da ist die Laune am Vormittag oft nicht ganz sooo gut! :)

  25. aucheinältererHerr sagt:

    Das das mit den Likes nicht zwingend ernst zu nehmen ist haben uns doch gerade die erfolgreichen Pro KT-Demos gezeigt:-) Facebook ist für Mädchen und wird z.B. von mir abgelehnt (knapp Ü40) und gerade wegen Deiner Jugensünden und Deiner nordischen Erdung schlage ich hier täglich auf. Gute Texte erzeugen bei mir ein zufriedenes Grunzen und immer ein fettes Grinsen, wie zuletzt vor 20 Jahren bei meiner letzten Tüte. Warum soll man etwas kommentieren wenn es doch perfekt ist? Weiter so – die Storys haben Dich groß gemacht und werden Dir auch in schlechten Zeiten immer einen hohen Grund-Traffic sichern. Zuviele Links – egal wie gut – machen dich austauschbar und Trendabhängig. Stay unique!

  26. Thomas sagt:

    Stimme singhiozzo et al. zu. – die Texte hier sind DER Grund whudat.de zu lesen!

  27. MC Winkel sagt:

    @aucheinältererHerr: … naja, „austauschbar und Trendabhängig“ sehe ich jetzt nicht, da die Links ja schon auf einen persönlichen Geschmack hinweisen. Das ist schwer zu kopieren. :) Aber mal was Anderes: wieso „auch“???? :)
    @Thomas: Aight! Gleich gibt’s dazu mal eine Umfrage, habe da gerade was vorbereitet…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert