Karriere Deformationen 1990-1996

Es sind ja bekanntlich so einige Dinge in meinem Leben schief gelaufen und damit meine ich jetzt weder mein Gesicht noch meine fußkranke Schwipptante, eher so auf die Karriere bezogen. Ich habe keine Ahnung, wie es jemals dazu kommen konnte, aber als ich mich nach der Schule mit dem Thema Berufswahl beschäftigte, hatten der StellenInformationsService des Arbeitsamtes und meine Zukunftsvorstellungen nur wenig Schnittmenge. Ich war halt immer schon eher das, was man eine Künstlerseele nennt, was sowohl meine Eltern als auch die Sachbearbeiter beim Amt noch ich selbst damals wussten. Also machte ich den Computertest bei der Berufsberatungsstelle und bekam genau drei Vorschläge: Optiker, Hörgeräteakustiker und Großhandelskaufmann. Ich weiß bis heute nicht, ob ich zu selbst zu doof war und mich schlicht vertippt habe, ob die NPD zusammen mit dem Verein zur Förderung der Schlachtung von Mops-Welpen die Beratungs-Software programmiert hatten oder ob der Tag vor dem zweiten April nicht der besten Termin für sowas war. Vielleicht war es auch die geballte Triple6er-Dreifaltigkeit, wasweißich, Optiker und Ohrpfropfo’iker fielen jedenfalls sofort aus.

Also Großhandelskaufmann. Sitzt man wenigstens im Büro, mit etwas Glück bekäme man einen Firmenwagen und wer weiß, vielleicht würde die Empfangslady bei 75C und 60er-Taille einen größeren Ausschnitt präsentieren als Sneak Previews, geil. An sich bestimmt eher langweilig, aber man könne sich ja ein cooles Genre suchen – Bademoden, Sneakers, Graffiti Writing-Zuberhör oder Musikinstrumente. Es wurde: Baubedarf. Elektro-/Werkzeuge. Baumaschinen. Bürocontainer. Tore, Türen, Zargen & Bullshit; smoothed out with a little tip of Fickpisse grobem Unfug.

Und als wenn das nicht Alles schon Schicksalsunterrückendefloration genug gewesen wäre, steckte man mich zudem für mehr als ein Jahr auf den Hof, zu den Staplerfahrern, die Container und Gerüstteile kommissionierten. Lehrjahre sind selten Herrenjahre, aber dass es statt eines warmen Büroplätzchens den bitterkalten Außenhof gab, mit Kollegen, denen anstelle von Fahnen ganze Flaggenmasten aus den Hälsen ragten rugen, muss ein persönlicher Affront gewesen sein. Vermutlich hatte mein Vater meinen damaligen Chef (eigentlich Jörg Neumann, ich nannte ihn jedoch Holger Hurénimus) in der Kneipe mal im Armdrücken geschlagen, weiß ich doch nicht. Egal, ich zog das durch wie Metrokartenentwerter.

Dann kam die Zeit der Frage Bund oder Zivi, was ja eigentlich keine Frage war. Mal dieses ganze Gejammer von wegen ich möchte nicht an Waffen töten üben außen vor gelassen (das mit den Waffen wäre der einzige Grund, mir den Mist überhaupt mal anzusehen – die Zukunft sollte mir noch zeigen, dass so ein angelernter Zwischenbrauenschuss durchaus von Vorteil hätte sein können): das Lächerlichste ist es doch, jeden Morgen zum Verkleiden gezwungen zu werden und dann in menschenunwürdiger Montur mit Fakeleder-Schirmmützchen auf Befehl strammzustehen. Ich hab das mal mitbekommen, da hat so ein Fäkalfähnrich einen Gefreiten (beide Anfang 20) angeschrieen, weil der seinen obersten Hemdknöpf nicht ordnungsgemäß zugeknöpft hätte.

Stellt Euch sowas mal vor. MC Winkel. Ich hätte mir die Pfeife mal zur Seite genommen und gefragt, wie es denn gerade so um die Latten/Zaun-Verhältnismäßigkeit bestünde. Oder ob er gerade Hagebuttenkerne im Toilettenpapier Schrägstrich Unterlid haben würde. Und dann hätte ich ihm erzählt, dass ich beim nächsten Ausraster seinerseits meinen Turbo-Swag bereitstellen würde und dass sei selten angenehm, da könne er gerne mal Niki Lauda fragen. Aber musste ich ja nicht, ich war dann ja Zivi. Hier würde ich auf eine gute Stelle achten, irgendein lauer Fahrerjob, Meals on Wheels, wo man die Hälft selbst essen oder wenigstens nach Kenia verschicken können und um 13.00h schon Feierabend haben würde, geil. Ich wurde dann: Beikoch. In der Mensa des hiesigen Studentenwerkes, 5 Tage die Woche von 7:15h-15:45h Salat schneiden und Geschirrspülen. Hier hätte ich das erste Mal die Schusswaffe gebrauchen können, kam dann aber periodisch mit Alkohol und Kush über die Runden, wie BBW-Fetischisten. Aber zum Glück ja nur 15 Monate.
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[… das nächste mal erzähl‘ ich dann, wie ich im Baumarkt, beim Linsenhöker und im Festnetzbims landen konnte.]

Kommentare

12 Antworten zu “Karriere Deformationen 1990-1996”

  1. Perot sagt:

    Schön den Sonntag ausklingen lassen mit ’ner Lil’MC™-Story – fantastic driver! [gefunden im PaderbornerRulerUrbanDictionary™] ;-)

    Ich freu mich schon wieder auf den Teil, in welchem wieder der Linsenhöker ’ne Rolle spielen wird. Greetings to Koth&Sumpfschreier™.

    [Sorry, dass FB-Like-Button mal wieder nicht reacted, aber I like U trotzdem, Dude!]

  2. Jens sagt:

    Krass, tausche Kaufmann gegen Dentaltechniker und Mensa gegen Altenheim-Wekstatt und der Rest bleibt fast so wie geschrieben – my life

  3. ich warte auf die Folgeberichterstattung, das wird bestimmt lustig!

  4. Parkster sagt:

    Ha, das mit dem Hörgeräteakkustiker muss am Zinken liegen, dass haben die mir auch empfohlen. Frechheit, nä? War dann beim Bund um danach alle umlegen zu können, habe dort aber festgestellt, dass ich zu viel denke für den Verein. Hätt ich mal vorher machen sollen. Ich mag ja Salat.

  5. SirDregan sagt:

    Haha, das mit dem Stellenservice der Arbeitsagentur kenn ich auch noch. Ich erinnere mich ganz noch genau als der mies gelaunte Sachbearbeiter mit zu erklären versuchte, ich könne mich mit meinem durchschnittlichen Wirtsschaftsschulsabschluss allerhöchstens noch als Lagerist bewerben. Ich war „beratungsresistent“ ^_^

    Jetzt hab 10 Jahre als Fachinformatiker hinter mir und letztes Jahr ne eigene Firma gegründet.

  6. frau k. sagt:

    Also ich habe in 1997 eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau angefangen und auch abgeschlossen später, weiss auch nicht mehr warum.

  7. Erdge Schoss sagt:

    Was ich mich, werter Herr Winkelsen, schon seit Jahren, ach was: Tagen!, frage:
    Wie haben Sie das beim Geschirrspülen mit Ihrer Sehhilfe gemacht, wenn diese
    über siedend heißem Spülwasser beschlug?

    Herzlich
    Ihr Schoss

  8. mac sagt:

    Was uns nicht umbringt macht uns nur härter!

  9. Required sagt:

    Jörg Neumann = JN = Hurenimus?

    Dreiste Ansage…! :/

  10. MC Winkel sagt:

    @Required: *lol* neeeé, das war mehr so als Metapher gegen das „Establishment“ gedacht, hatte nichts mit dem realen JN zu tun, der war mir von allen Ns noch am Liebsten. Platz 2 = GN, wegen seines (unfreiwilligen) Humors, Platz 3 = PN, wegen der Steinhöfel-Arroganz – toll, dass ich das Alles erleben durfte. FN durfte ich ja leider nicht mehr kennenlernen, schade, wäre bestimmt lustig gewesen. :)

  11. Required sagt:

    Haha! Alles chlor, super! Kann ich nur unterschreiben! :)

  12. Kilian sagt:

    ein Glück habe ich das jetzt schon gelesen, nun habe ich wohl doch noch die chance das aus mir was wird :)

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