LAX – Mein goldenes Fettnäpfchen 2012

MC Winkel aka Don Fatnap. Je älter ich werde, umso peinlicher fallen die unangenehmen Zwischenfälle aus. Liegt vermutlich daran, dass ich mich als Freiberufler nach drei Jahren nun auch um 300% freier fühle. Als Angestellter hab‘ ich mich zwar auch immer schon weiter aus dem Fenster gelehnt als balkonlose Kettenraucher mit Asthma-krankem Partner, aber da setzte im letzten Moment immer noch so eine Art Peinlichkeitsschutz ein, der vor Allem meinen Arbeitgeber vor größeren Blamagen rettete, aber der scheint inzwischen irgendwie verblasst.

Nun bin ich dieses Jahr ja wirklich ziemlich rumgekommen und habe alle möglichen Sorten von Menschen an den unterschiedlichsten Passkontrollen der Welt gesehen. Es gibt die Chiller, die einen nur kurz angucken, zwei Fragen stellen ohne sich für die Antworten zu interessieren, stempeln und den Pass direkt zurückgeben. Dann gibt es Kuba, wo man im Vorfelde Fragenkataloge in der größe des Tokio’schen Telefonbuchs ausfüllen musste, am Schalter selbst war’s dann aber verhältnismäßig harmlos. Im Gegensatz zu den USA, genauer: am LAX in Los Angeles, wo man seit 9/11 Besucher skeptischer beäugt als Homöopathen Antibiotika (übrigens, hier wird in einem Satz beschrieben, wie Homöopathie funktioniert). Und auf so einen neunmalklugen, hakenbenasten Lispeljackson wie mich haben sie da am Schalter natürlich nur gewartet. Na klar war ich müde, so ein Flug nach L.A. ist lang. Vielleicht hatte mich die Schlaftablette auch etwas dizzy gemacht, vielleicht suche ich Trottelbirne aber auch nur nach Ausreden, denn so ein dämliches Verhalten hat selbst Lothar Matthäus‘ Management noch nicht erlebt, und denen dürften inzwischen auch die Arme über dem Kopf zusammengewachsen sein.

Man muss vor Einreise ja immer so einen Fragebogen ausfüllen, ob man in der letzten Zeit mit Aidskranken geschlafen hätte, ob man Gelbsucht hat oder auf Kuba war, ob man Drogen nähme, ob man überdurchschnittlich viel Bargeld dabei hätte, Terrorist oder gar schwanger sei, all sowas. War bei mir natürlich Alles der Fall, dennoch soll man da überall „nein“ ankreuzen, weiß ja Jeder. Hab‘ ich Alles gemacht, sogar meine ESTA-Genehmigung hatte ich am Abend vor der Abreise noch online aktualisiert – brother was prepared. Ich kam zu einer Schalterbeamtin mit afrikanischen Wurzeln, meine roten Augen konnte ich mit einem aktuell vorliegendem Schlafdefizit erklären und mein Kaugummi sei auch keine Zeichen der Respektlosigkeit, ganz im Gegenteil, ich hatte bei mir den Dragon festgestellt und wollte nur höflich sein. Ich grinste hin, sie her, alles war smooth und da die Ladies meinem Charme selbst unausgeschlafen, rotäugig und bemundmufft erlegen (sowas sagt mir zumindest meine völlig fehljustierte Selbstwahrnehmung), könne ich ja fast so ein bißchen in den Flirtmodus wechseln. Dachte ich. Was für eine beschissenen Idee.

Sie stellte weiter ihre Fragen, machte Häkchen, ich sah mich schon, wie ich ihr augenzwinkernd beim Abschied meine Visitenkarte in die Uniform knispel‘, bis sie diese eine Frage stellt, „Sir, how much money do you have with yourself?“. Ach so, ich soll wohl das Essen bezahlen, huh. Na gut, Zeit für einen weiteren Gag, „100 Euro or something. Why do you ask, do you want me to lend you something?“, sage ich, mit beiden Unterarmen auf dem Tresen lehnend, Basecap auf, doof grienend und Kaugummi-kauend. Heute ist mir bewusst, dass ich wie ein behindertes Kind ausgesehen haben muss, außerdem war das gerade das Dümmste, was ich jemals sagen konnte (gefolgt von „Nein, ich bin noch nicht so weit“ zu Birte, damals in der 8b).

Und dann ging’s auch schon los: die Gesichtszüge wurden ernster, nicht eine Spur von Freundlichkeit mehr. Ich sollte sofort die Mütze absetzen und die Hand auf den Scanner legen. Dann den Daumen. Und die andere Hand. Und den anderen Daumen (vorher reichte immer eine Hand). Die Fragen wurden kritischer. Ob ich denn wirklich als Tourist käme – für nur 2 Tage? Und schon das dritte Mal in diesem Jahr L.A., aber immer nur 3-4 Tage? Zusammengefasst: ich stand noch weitere 10 Minuten da am Schalter und fühlte mich plötzlich irgendwie wieder sehr unfrei. Aber mein Peinlichkeitsschutz, der ist seitdem wieder ein bißchen gewachsen.
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tl;dr = Fragt bitte niemals eine Einreisebeamtin an der Passkontrolle in den USA, ob ihr ihr Geld leihen sollt, wenn sie Euch nach Eurem aktuellen Portemonnaie-Status fragt.

Kommentare

16 Antworten zu “LAX – Mein goldenes Fettnäpfchen 2012”

  1. sehr gut. Kenn ich auch. Da will man die verkrampfte Situation mal bissel auflockern und muss dann feststellen, dass die das alles nicht so witzig finden. Auch so Gags wie „Ich komm eigentlich nur her, um mal wieder angefasst zu werden“ kommen da auch nicht so richtig gut an…Humorloses Volk.

  2. Sebastian sagt:

    Das sollte man doch inzwischen wissen. Mit Zollbeamten am Flughafen scherzt man nicht. Wirklich! Auch nicht nicht doof kommen oder locker. Stur machen was sie wollen und weiter gehen.

    Gab ja mal die Story vor ein paar Jahren mit dem Typen in Berlin der festgenommen wurde weil er aus Scherz sagte er hätte ne Bombe.
    Erst vor nem Jahr auf dem Rückflug einer Hochzeit selbst erlebt, wie ne Freundin kurz vor „Verhör“ stand (vermute nicht das sie sie festnehmen wollten, aber zumindest mal genau unterhalten). Denn sie war genervt, weil immer auf dem Flughafen ihre wirklich teure Kamera auf Drogen untersucht wurde (Wischtest). Da ließ sie nun nen Spruch: Was der scheiß denn soll, die Kamera kostet mehr als er hier verdient. Da werden sie sicherlich keine Drogen finden. Ob der den Dreck dann auch mal wieder wegwischen kann?“
    Da wurde sie schon ordentlich gezügelt und verwarnt. Musste sie dann auch zurückhalten, auch wenn ich ihre Reaktion natürlich verstehe. Wenn da jemand seine Finger und nen „Putztuch“ auf der viele Tausend-Eur-Kamera rum werkelt.

  3. burnster sagt:

    Damn it Emser, ich hab ja selten etwas so deprimierendes gesehen wie das verlinkte Lothar-Interview. Man möchte ja eigentlich Mitleid haben, weil er so eine geprügelte Seele ist, und so derbe viel Unsicherheit ausstrahlt, aber dann flüchtet er sich wieder in die Großkotzigkeit und wirkt so unangenehm blöd und unironisch, dass man wegschalten muss. Zu deiner Geschichte kann ich dir sagen: schreib mehr, flieg weniger:)

  4. Flo sagt:

    Muss ich direkt wieder daran denken wie sie in meinem Rucksack bei der zweiten Sicherheitskontrolle ein Messer fanden. Glücklicherweise noch in FFM und nicht beim Zwischenhalt in Bahrain oder am Ziel in Indien. Wurde dann von der Herren mit MP kurz in ein Räumchen begleitet…zum Glück durfte ich weiter und es kam auch nichts mehr wegen der Geschichte! :D

  5. Erbsenzähler sagt:

    …außerdem warst du doch in Kuba – und hast dein Kästchen falsch ausgefüllt ;-)

    Das nenne ich mutig

  6. jd sagt:

    sei nur froh das du nicht noch ne anzeige wegen sexueller belästigung bekommen hast … wie es einem bekannten passiert ist der auch nach einem ähnlichen flug nur freundlich sein wollte (und eine zwickende unterhose hatte) …

  7. MC Winkel sagt:

    @Webdesign Kiel: Verstehe einer die Welt. Ich flieg in 2013 noch einmal drumherum, vielleicht hab‘ ich ’s dann kapiert! :)
    @Sebastian: Erinnert mich an Muddi + Tochter (5 Jahre alt) nach dem Sicherheitscheck, „Mama, muss man studieren um so einen Beruf zu machen?“. „Äähm, nein.“. Aber die war 5, der Spruch mit dem Gehalt war echt mies!
    @burnster: Genau das. Also besser wird’s mit Lottzschke nicht mehr, das können wir in diesem Leben vergessen. Danke für die Props!
    @Flo: Ein Schweizer TM? Oder eine echte Machete. Mach‘ kein‘ Shice!!
    @Erbsenzähler: DON’T TELL! Ich will da nächstes Jahr nochmal hin…
    @jd: Der hat sich am Schalter an die Pipe gefasst und wurde dann abgeführt?! Nicht Dein ernst…?!

  8. jd sagt:

    mc, er war nett mit Augenzwinkern und versuchtem Schäkern mit der Damen am Schalter und unbewusst (laut eigener Aussage) zwickte die Buchse und er richtete das Gerät … was als Sexuelle Nötigung behandelt wurde … USofA sind da nicht so flexibel …

  9. Folker Mienkus sagt:

    Lol – also den mit dem Geld leihen habe ich auch noch nicht gebracht – in Miami (in den USA bekannt als die langsamste Immigration nationwide) sind die bei meinen regelmäßigen Besuchen immer ganz chillig drauf (dauert halt nur etwas länger ) , aber als ich letztes Jahr über New York nach Miami kam, war das doch ein anderer Schnack – auch meine drölfzig Einreise Stempel wurden kritisch von der Dame am Schalter kontrolliert und ständig gefragt „Grund des Besuches 2011, 2010, 2009 etc etc“ und nachdem ich stets antwortete “ visiting my Cousin “ haute sie finsteren Blickes den Stempel in den Pass und forderte mich zum Fingerabdruckscannerspiel heraus. Bis demnächst in USA :-))

  10. […] MC Winkel, der sich hier ausnahmsweise viel zu selten mal wieder seiner Qualitäten als Erzähler besonnen hat, statt uns […]

  11. emanuel sagt:

    Genau wegen solchen Stories habe ich Freunde die nicht mehr nach Amerika reisen. Da bringt man jährlich viele harte Euros in ein Semi-Entwicklungsland und muss sich dann noch schikanieren lassen bei der Einreise.

    Meine Freunde sagen, dass sie lieber in Länder gehen in denen man sich über ihren Besuch freut und sie von Anfang an freundlich behandelt. – Eigentlich haben sie recht.

    Mein nächster NYC Flug für Februar steht trotzdem schon und ich freue mich wieder mal automatisch unter Generalverdacht gestellt zu werden.

    „One failed attempt at a shoe bomb and we all take our shoes off at the airport.
    Thirty one shootings since Columbine and no change in the regulation of guns“

  12. Flo sagt:

    @MC Winkel: Ne schon etwas größer als ein Schweizer aber trotzdem noch ein Taschenmesser. Weiß aber bis heute nicht wieso und weshalb es im Rucksack war. Die Frage werde ich mir wohl auch nicht mehr beantworten können. :D

  13. maike sagt:

    Ich als Frau (= Expertin) glaube ja, dass diese ernste Fragerei nur eine Art spröder Annäherungsversuch ihrerseits war. Sozusagen die sorgsam eingefädelte Anbahnung eines Traumbody-Search (wenn man davor keine kritischen Fragen stellt, ist das ja immer sooo schwer zu rechtfertigen dem Vorgesetzten gegenüber). Aber dann musst Du auf der Metakommunikationsebene irgendwas falsch gemacht haben… Vielleicht nicht verwegen genug geantwortet? Darüber würde ich mir an Deiner Stelle mal lieber Gedanken machen!!

  14. Uwe sagt:

    Wir sind vor Jahren (als Jugendliche) mal eine Woche lang morgens nach Österreich rein und abends wieder nach De rausgependelt. Unser Auto war dabei mit Skiern, Snowboards etc. vollgepackt. Jedes Mal bei der Rückreise hat uns der deutsche Zoll angehalten und immer die gleiche Frage gestellt: „Haben Sie Drogen, Waffen oder gefährliche Stoffe dabei?“ Und jedes Mal hat unser Fahrer die gleich Antwort gegeben: „nein“. Nur am letzten Abend, hatte er sich nicht unter Kontrolle und hat mit „Ja massenhaft“ geantwortet. 2 Stunden später war unser Auto aus- und wieder eingeräumt und jeder von uns hatte einen behandschuhten Finger im Ar…

  15. Erdge Schoss sagt:

    Vorbildlich, werter Herr Winkelsen, und so geht’s ab bei Check-in-Witzigkeit

    Herzlich
    Ihr Schoss

  16. Thomas sagt:

    Als es noch Deutsch-Tschechische Grenzen gab hat mir ein tschechischer Grenzer um 03:00 Uhr in der Nacht einmal mein Auto auseinander genommen hatte. Eigentlich wollte er nur, dass ich den Wunderbaum von meinem Rückspiegel abnehme. da ich aber leider der tschechischen Sprache nicht mächtig bin hat er sich scheinbar verarscht gefühlt als ich ihm nicht Folge geleistet habe. Naja dann hat er alles aus meinem Auto auf der Straße verteilt. Auch den Wunderbaum….

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