Leben wir in einer Illusion und wenn ja, wie entkommen wir ihr?

Leben wir in einer Illusion

Leben wir in einer Illusion? Die Vorstellung, dass unsere scheinbare Realität tatsächlich eine Illusion sein könnte, ist nicht neu. Sowohl in der östlichen als auch in der westlichen, philosophischen Tradition wurde dies schon lange vorgeschlagen. Insbesondere in Konzepten wie Platons Höhlengleichnis und hinduistischen Vorstellungen von der Unwirklichkeit der Welt. Doch die Simulationshypothese bringt diese philosophischen und spirituellen Erkenntnisse in den Bereich der technologischen Möglichkeit.

Wenn unsere Realität tatsächlich eine Simulation ist, welche Auswirkungen hat das auf das spirituelle Verständnis, die Erleuchtung oder das Erwachen und das menschliche Bewusstsein? Könnte dies tatsächlich mit vielen spirituellen Traditionen in Einklang stehen, die die physische Realität als Illusion oder Maya betrachten? Müssen wir das spirituelle Erwachen für das digitale Zeitalter neu definieren, als das Überschreiten einer simulierten Illusion?

Die Simulationshypothese – „Lebst du in einer Computersimulation?“

Die Simulationshypothese wurde erstmals 2003 von Nick Bostrom, einem Philosophen an der Universität Oxford, in einem Aufsatz mit dem Titel „Lebst du in einer Computersimulation?“ präsentiert. Diese Hypothese besagt, dass unsere wahrgenommene Realität nichts weiter als eine hochentwickelte, digitale Simulation ist, orchestriert von einer unbekannten, höheren Intelligenz. Ähnlich wie in einer virtuellen Realität (VR), aber auf einer viel raffinierteren Ebene, finden wir uns in einem computeranimierten Universum wieder und erleben es als real.

Die Idee hat viele ernsthafte Denker beeindruckt. Einige gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns nicht in einer Simulation befinden, eins zu einer Milliarde ist.

Leben wir in einer Illusion? Die Parallelen in der Philosophie

In den östlichen Traditionen, insbesondere im Hinduismus und Buddhismus, ähnelt die Vorstellung von Maya frappierend der Simulationshypothese. Maya in der hinduistischen Philosophie bezieht sich auf die kosmische Illusion, bei der die materielle Welt als real wahrgenommen wird und die wahre, unveränderliche Realität von Brahman verschleiert wird, dem ultimativen Sein. Der Buddhismus betont die Vorstellung von Sunyata (Leere) und die illusorische Natur der materiellen Welt. Beide Traditionen ermutigen zu spirituellen Praktiken, die darauf abzielen, diese Illusion zu durchbrechen.

Auch in der westlichen Philosophie finden sich Werke von Philosophen wie Plato und Descartes, die Allegorien und Gedankenexperimente verwenden. Experimente, die erstaunliche Ähnlichkeiten mit der Simulationshypothese aufweisen. Platos Höhlengleichnis in der „Politeia“ beschreibt Gefangene, die von Geburt an in einer Höhle gefesselt sind und die Welt außerhalb der Höhle nur durch Schatten an der Wand wahrnehmen. Descartes, ein bedeutender Denker der westlichen Philosophie, hinterfragte in seinen „Meditationen über die Erste Philosophie“ die blind akzeptierte Wahrheit der Realität. Er schlug vor, dass wir die Realität in Frage stellen sollten, da sie möglicherweise das Werk eines mächtigen Täuschers ist. Sei es ein böser Dämon oder eine fortgeschrittene Zivilisation, die eine Illusion der äußeren Welt erschaffen hat.

Die Natur des Bewusstseins in einer simulierten Realität

Gemäß einigen Versionen der Simulationshypothese ist Bewusstsein eine emergente Eigenschaft der Simulation, ein bloßes Nebenprodukt komplexer Algorithmen und Rechenprozesse. Dies spiegelt materialistische Ansichten der Neurowissenschaften wider, die Bewusstsein als Ergebnis physischer Prozesse im Gehirn betrachten. Die Simulationshypothese fügt dieser Perspektive jedoch etwas hinzu. Sie legt nahe, dass wenn unsere Gehirne selbst Teil der Simulation sind, das Bewusstsein zu einer emergenten Eigenschaft zweiter Ordnung wird. Das bedeutet, dass Bewusstsein nicht nur das Epiphänomen neuronaler Aktivität ist, sondern auch der zugrunde liegende Computercode, der das simulierte Universum ausmacht.

Die Hypothese wirft jedoch die Frage auf, wer oder was den Code erstellt hat. Ist Bewusstsein etwas Externes zur Simulation, von dem die Entität oder der Prozess, der es geschaffen hat, beeinflusst wird? Oder könnte Bewusstsein ein fundamentaler Aspekt der Realität sein, simuliert oder nicht, der nicht auf physische Materie oder Code reduzierbar ist? Die Simulationshypothese bringt tiefgreifende Fragen hervor, Fragen zur Natur der Realität, nach dem, was wirklich ist. Ähnlich wie Descartes in seinem Prinzip des radikalen Zweifels, suchen wir nach dem, was nicht bezweifelt werden kann. Nach der Wirklichkeit.

Die spirituelle Perspektive auf die Simulationshypothese

Die Konzepte der Simulationshypothese finden sich auch in den spirituellen Traditionen wieder. In Hinduismus und Buddhismus gibt es einfache Tests für die Basisrealität: Wahre Realität kommt nicht und geht nicht. Alles, was einen Anfang und ein Ende hat, kann nicht real sein. Kann also Bewusstsein die wahre Basisrealität sein? Einige Schulen des Advaita Vedanta argumentieren, dass unser Sinn für „Ich bin“ („I AM„) fundamental ist, dass unser Sinn für Existenz unsere Basisrealität ist. Meditation über das „Ich bin“ („I AM“) wird als Möglichkeit vorgeschlagen, spirituelles Erwachen zu erreichen, nämlich das Erwachen zu dem, was sie als die grundlegende und nicht reduzierbare Natur des Seins selbst betrachten.

Die Konzeption des „Ich bin“ wird jedoch durch die Simulationshypothese hypothetisch herausgefordert. Sie legt nahe, dass selbst unser Gefühl der Existenz, unser Gefühl des „Ich bin“, möglicherweise nur Computercode ist. Aber spielt das eine Rolle? Wenn wir akzeptieren, dass unser Gefühl der Existenz illusionär ist, erkennen wir unser Gefühl der Existenz als die Wurzel oder primäre Illusion an, auf der alle sekundären Illusionen beruhen. Ohne die Illusion der Selbstexistenz oder des Seins zuerst existiert die Welt nicht.

Daher halten wir fest an der primären Illusion des „Ich bin“, bis wir beginnen, seine Quelle zu erahnen. Die Quelle des „Ich bin“ ist implizit als „Ich bin nicht“ verortet. Wir haben eine wortlose, gedankenlose, körperliche Erkenntnis, dass das Nicht-Sein die Quelle des Seins ist. Wir erkennen eine weitreichende, grenzenlose und formlose Offenheit, ein grenzenloses Offenhalten, das alle möglichen Welten und Universen, simuliert oder nicht, erst ermöglicht. Diese umfassende Offenheit ist der urzeitliche Zustand vor und über alle Formen, Konstrukte und Simulationen hinweg.

Diese Erkenntnis (wenn wirklich realisiert) bringt ein tiefes Gefühl der Befreiung mit sich. Im Kontext der Simulationshypothese deutet sie darauf hin, dass selbst wenn unsere Existenz das Ergebnis eines ausgeklügelten Computerprogramms ist, das vorangehende Nichts die Grenzen jedes Programms übersteigt. Unsere wahre oder basale Natur ist in der grenzenlosen Nichtexistenz verwurzelt, die allen Konzepten und Kategorien übergeht.

Die Essenz des spirituellen Erwachens

Das spirituelle Erwachen ist der Prozess des Abschälens der Schichten der Illusion, zu denen auch die subtile Illusion der Existenz selbst gehört. Indem wir die Natur dieses „Ichs“ erforschen und in der primären Illusion des „Ich bin“ ruhen, kommen wir zu einem direkten, erfahrbaren Verständnis des weiten Zustands des Nichtseins. Und das geht mit der besagten Meditation über „Ich bin“/“I AM“.

Die Simulationshypothese dient daher als moderne Metapher für eine alte, spirituelle Wahrheit. Die Realität, die wir wahrnehmen, ist nicht die ultimative Wahrheit. Die Essenz des spirituellen Erwachens besteht darin zu erkennen, dass wir nicht auf die Einschränkungen irgendeiner Realität, simuliert oder nicht, beschränkt sind. Sondern intrinsisch mit einer unendlichen, formlosen Quelle verbunden sind, die alle Konzepte und Kategorien übersteigt.

Leben wir in einer Illusion? The Ancient Secrets To Escape The Simulation


___
[Video by Asangoham]

Kommentare

Kommentare sind geschlossen.