Nahtoderfahrung: Wie ich am Wochenende den schrecklichen Waldbrand in Mijas überlebte // Fire on the Costa del Sol in Mijas 2022
Muss ich für die Nachwelt festhalten: ja, die Brände in Spanien und an der Costa del Sol gibt es wirklich und hier kommt, wie ich den größten Brand in Spanien am vergangenen Wochenende, direkt hier in Mijas, überlebte.
Es fing am Freitag an, ich bereitete mich gerade aufs Wochenende vor, räumte ein bißchen die Wohnung auf, ging auf die Terrasse und schaute in Richtung Pool. Hinter dem Pool befindet sich direkt der Gebirgszug Sierra de Mijas, auf dem im letzten (vergleichsweise kühlen) Winter sogar Schnee auf der Spitze zu erkennen war. Geradeaus schaue ich auf einen Berg, der übrigens vor 10 Jahren einmal in Flammen stand. Das Resort in dem ich jetzt lebe musste damals evakuiert werden, die Eigentümer und/oder Mieter mussten für ein paar Tage woanders unterkommen, das Feuer konnte gelöscht werden und dem Resort selbst ist nichts passiert. Wir sind hier also bereits Waldbrand erfahren, zumindest ein paar der Anwohner. Rechts schaue ich dann auf das Mittelmeer und habe somit eine Panorama-Aussicht auf Alles, was Andalusien zu bieten hat: Berge und Meer, ganz viel Natur und keine Häuserdächer, die mir die Sicht verblenden. Und so sah die Sierra de Mijas am Freitag Nachmittag aus:
Endlich Wochenende
Ich erschrak, damit hatte ich nicht gerechnet, das sah schon sehr groß und auch sehr nah aus. Sofort schaute ich auf die Satelliten-Karte, die alle 10-15 Minuten aktualisiert wird, auf der aber nichts angezeigt wurde. Die Rauchschwaden verzogen sich allmählich und so ging ich a) an den Pool und b) davon aus, dass das hier nichts Größeres sein würde. Am Pool hörte ich Marvin Gaye und Eckhart Tolle, kam nach 90 Minuten zurück, bereitete mich auf das Abendessen mit Freunden vor und sah, dass der Rauch sich vollständig zurückgezogen hatte. Zwei neue Marvin Vinyls, alkoholfreie Rotweinschorle am Pool, ein gelöschter Waldbrand – endlich Wochenende!
6 Jahre Urlaub
Der Samstag begann bei mir etwas später, ich muss zugeben es in letzter Zeit (also die letzten 6 Jahre) etwas ruhiger angehen gelassen zu haben, was aber auch genau so erwünscht ist, ich mein‘: man gucke sich die ganze Scheiße aktuell doch einfach nur einmal an, da sollte man schon etwas selfcare und wellbeing walten lassen, wie ich finde. Jedenfalls stand ich so gegen halb zwölf auf und musste feststellen, dass da schon wieder diese Rauchwolken am Himmel standen, jedoch kleiner als am Tag zuvor. Vermutlich nur wieder irgendwo eine Grillage, die die besoffenen Engländer (in Massen hier in der Sommerzeit, schlimmer als London) nicht richtig gelöscht hatten.
Bubatz-Überraschung
Am Abend kam ich um 22.00h nachhause, zog mich bis auf die Boxer aus, rollte mir eine Bubatz-Überraschung, öffnete ein eiskaltes IPA (das von Cruzcampo – mit das beste IPA der Welt, ich lüge nicht) und bewegte mich auf die Terrasse, von wo ich schon wieder diese Rauchwolken sah. Ein weiteres Mal öffnete ich die Satellitenkarte und sah dann das.
Okay. Fuck. Nicht so geil. Das Ding ist doch bestimmt zwei Hektar groß und wenn mich nicht alles täuscht, dass liegt diese gesamte Fläche doch direkt, … ähm, hinter diesem Berg da?! Es begann ein eher unruhiger Abend, den ich mit Meditation und Kräutermischung zumindest so zen halten konnte, dass ich mir die Frauen EM angucken konnte. Muss sagen: es geht viel fairer auf dem Platz zu als bei den Herren, viel weniger Tattoos, kaum Asoziale und noch nicht so komplett vom Geld versaut, wie man es sonst so sieht. Fast erträglich, wenn man sich beim Sport-gucken nur nicht ohnehin immer so dumm vorkommen würde. Aber besser als die upcoming Katar WM, das ist ja klar.
Anruf bei der Notfall Hotline
Aber zurück zum Feuer. Alle 10 Minuten sprang ich im Karree zwischen Fernseher, Mac mit Satellitenkarte und Terrasse hin und her und besser wurde die Stimmung auch nach dem nächsten Jimbsmaster nicht – das Feuer weitete sich aus. Man sah es, zumindest auf der Karte. Auf oder über dem Berg… zum Glück nichts! Bis um halb zwei, da steppte ich erneut auf die Terrasse, guckte auf die Sierra de Mijas und sah… ein Licht. Also, das werden dann ja wohl hoffentlich die Feuerwehrleute sein, oder?! So’n Einsatzwagen vielleicht und wo sind eigentlich die verdammten Helis, die habe ich ja seit 3 Stunden nicht mehr gesehen oder gehört. Ich entschied mich, die Notfall-Hotline (auch hier die 112) zu wählen um mal zu hören, inwieweit ich vielleicht heute Nacht verbrenne und gegebenenfalls Alles verliere. Das sind ja gerade einmal 20-23km und so ein Lauffeuer hat ja nicht ohne Grund diesen Namen. Mal abgesehen davon hatte ich ein bißchen Wein, IPA und Bubatz im System, schließlich ist Wochenende und ich habe mich nunmal dazu entschlossen, noch ein bißchen zu feiern bevor das gesamte Scheißhaus hier in die Luft fliegt (sage ich seit 17 Jahren und werde es nicht ändern). Daher also die kleine Angst, man würde von einer Evakuierung nichts mitbekommen und selig schlafen, bevor Flammen mir das Haupthaar zerlodern.
An Schlaf war nicht zu denken
Den Notruf hätte ich mir sparen können, statt neue Informationen oder wenigstens eine Beruhigung zu bekommen, hörte ich nur, dass die Helikopter Nachts nicht mehr fliegen würden, weil es für die Piloten zu gefährlich sei. Auf meine Rückfrage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Feuer sich in der Nacht 20km ausweitet und ich in wenigen Stunden unfreiwillig den Nubbel mache, wollte man mir nicht antworten. Man dürfe keine Infos am Telefon geben, ich soll doch einfach online gucken. Und da steht man dann. Man sieht, wie sich das Feuer auf der Karte vergrößert. Dann sieht man es auf dem Berg, also ganz real. Und auch da vergrößert es sich. An Schlaf war solange nicht zu denken, bis das Feuer auf dem Berg zum ersten Mal etwas kleiner erschien. Das war so gegen halb vier, ich legte mich hin und schlief, Bubanovicz sei Dank.
Ich habe es überlebt!
Am nächsten Morgen natürlich der erste Blick Richtung Gebirge – nichts! Keine Flammen. Auch die Satellitenkarte hatte positive Veränderungen vorzuweisen: das Feuer war deutlich kleiner und schien unter Kontrolle zu sein. Ich habe (knapp!) überlebt, ich habe meine Plattensammlung noch, dem Hund geht’s super und ich habe nicht Alles verloren. Und jetzt mal kurz die Gags an die Seite: 18 Lösch-Hubschrauber und -Flugzeuge sowie rund 500 Mann am Boden waren im Einsatz, 2.000 Hektar Land (das sind 2.800 Fußballfelder) sind verbrannt, über 3.000 Menschen wurden evakuiert. Und das Ganze gerade einmal 20km von meiner Wohnung entfernt. But that’s what it is, ich wusste ja, dass es hier jeden Sommer irgendwo brennt und wenn man in solch eine Region zieht, muss auch damit gerechnet werden. Es sind ja auch (glücklicherweise) keine Menschen verstorben, es kann nur sein, dass ein paar ihre Wohnungen/Häuser verloren haben. Es ist dennoch etwas Anderes, wenn man direkt beteiligt ist. Der schlimmste Moment war, als ich die Flammen auf dem Berg sah. Erst Rauch, ganz weit weg. Dann das Feuer auf der Karte. Und dann in echt, wie es sich so langsam seinen Weg bahnt. Aber ich hab’s überlegt, dieses Jahr ging es wieder einmal gut und ich freue mich schon auf’s nächste Wochenende, hoffentlich Waldbrand-frei.