NTBA Auseinanderklabüsterei mit Wundheilsalbe
Ein Tag wie jeder andere im Büro, nur dass der tägliche Gruß von einem weltfremden Waldschrat mit Wundheilsalbengeruch statt vom Murmeltier kam. „Grüß Dich!“. Auch nach Jahren merkte er nicht, dass 95% der Belegschaft die zeitgemäßere Form von „Du mich auch“ (die mit dem F-Wort) auf den Lippen hatte, es aber aus Mitleidsgründen nie rüberbrachte. Auch heute noch bin ich überzeugt, dass jeder zweite Mitarbeiter unsichtbare Piercings in den Mundwinkeln gehabt haben muss, mit daran baumelden 5kg-Gewichten, die 8kg wogen, wenn nicht 10 11. Menschen mit längeren Gesichtern als Bert oder Fury, Miesepeters und -petrettes wohin das Auge reicht. Einziger Lichtblick war Empfangsbeeyotch Tanja, allerdings nicht, weil sie so gut aussah – sie war einfach nur so doof, dass die Schweine sie bissen. Aber halt unterhaltsam. Zynismus ist der Humor der Frustrierten und hier gab’s ja genug, inklusive mir.
Bis ich am Nachmittag in der Praxis Petersen ankam, Kundentermin. Der Chef wäre nicht da, ich möge doch alles mit der Assistentin abkaspern. Auch so ein Kleinstadtwort, abkaspern. Abfrühstücken. Beschnacken. Auseinanderklabüstern. Ich find’s ja sympathisch, eigentlich schade, dass man überall woanders dafür ausgelacht wird. Die Assistentin war ein – wie wir früher sagten – Augenschmaus. Heute sagt man Sau; etwas unromatischer, aber on-point, es ist halt immer wenig Zeit. Sie wies so die Classics vor, eine Makeup-Schicht, wo Schicht mehr Euphemismus für Krustenbelag, wenn nicht Bitumen war. Leuchtender Lippenstift, orange, rosa, rot – fragt mich nicht. Irgendwas, was scheiße aussieht aber geil macht, halt dieses Sasha Grey-Phänomen. „Herr Winkelsen, na dann kommen sie mal mit – ins BeHAndlungszimmer!“, das „ha“ Behandlung habe ich groß geschrieben, weil sie es so „HAH“ (englisch „huh“) aussprach, zur Verdeutlichung.
Dazu grinste sie lasziv und ich dachte mir: nichts. Ich war ein frustrierter Kieler im C&A-Anzug, Firmenwagen Golf, 9to5 und Wundheilsalben-Flavor in der Büro-Luft, woran sollte ich schon denken. „Und der Kasten, wo wird der installiert?“. Die Praxis brauchte ISDN, ich weiß nicht, ob Euch ein NTBA ein Begriff ist. „Der wird installiert, da unten, neben dem Anschluss!“. Ich zeigte auf die Büchse unter dem Schreibtisch. „Ah ja, ist da denn noch Platz?“, sagte sie und beugte sich… nein, vorbeugen kann man es nicht nennen, sie machte eine Brücke unter den Tisch, durch den weißen Kittel sah ich ihren von schwarzer Spitzenunterwäsche zusammengehaltenen, kardashionösen Unterrücken, dazu Pumps statt Birkenstock.
„Und was ist mit dem Einrichtungspreis, kann man da noch was machen!“, ich korrigierte nach unten wie Chirurgen bei gescheiterten Brust-OPs und dass mich diese riemigen Moves der Sprechstundenhilfe von gerade nicht gänzlich locker ließen, verriet mir die Halberektion, die ich beim Rausgehen aber mit meiner Kunstleder-Vertretertasche kaschierte. „Den NTBA bringe ich dann gerne persönlich vorbei!“, auf dem Weg zum Auto malte ich mir das nächste Treffen bereits in Slomo und Instagram-Ästhetik aus, ein neuer Anzug musste her, sehr dringend.
Eine weitere, eher doofe Nebensache war der Nachname der Assistentin von Dr. Petersen, der nämlich bis auf’s dt dem unserer damaligen Personalbeauftragten glich. Und die wiederum rief ständig mit unterdrückter Rufnummer an, weil sie optisch und zwischenmenschlich eine Katastrophe war, in der Sympathieskala weit unter Mussolini, niemand redete freiwillig mit ihr ihre Gründe hatte. Sie rief mich an, ohne Nummerübermittlung, ich hielt die eine für die andere und brachte den Spruch, den ich mir Tage zuvor unter größter Beanspruchung meines gesamten Fantasievolumens überlegte, „Naaah, soll ich zum Einstöpseln langkommen?!“. „Mathias? Wie was einstöpseln, Du hast Deinen Monatsbericht noch nicht abgegeben!“. „Ah, ach so.“.
Den NTBA verschickte ich dann lieber mit der Post.
:D
wieder einmal eine herrliche Geschichte und leider für mich zur Zeit arbeitsalltag – nur das ich nicht zum Kunden muss sondern NT-Splits/Modems etc. übers Telefon verschicken kann, wenn ich will (nein, nicht ich sitze nicht in der dummen Hotline, sondern in der Technik danach, trotzdem grausam as usual).
Aber manchmal wünsch man sich auch Bildtelefonpflicht für die besonders lieben Kundinnen ;) ^^
Morgens im Büro lässt es sich doch noch am besten darüber lachen ;)
„ich korrigierte nach unten wie Chirurgen bei gescheiterten Brust-OPs“
this!
Was, werter Herr Winkelsen, wurde aus dem neuen Anzug?
Herzlich
Ihr Schoss
„kardashionösen Unterrücken“
aaaldaaaa!!!!! :mrgreen:
Das hier ist es „…ihre Gründe hatte.“
Wieder eine gute Story, vielen Dank!