Tipping Struggle – Immer Ärger mit dem Trinkgeld

Muss ich leider zugeben: bin ein radikaler Tipping-Trottel. Zuhause, noch viel schlimmer aber wie zuletzt in den USA. Ich verstehe nicht, was dieses ewige Herumgetippe soll. Irgendwelche ungeschriebene Gesetze, von denen die Welt erwartet, dass man sie kennt. Jeder Dienstleistungs-Dude, der Einem hier aus 500m freundlich entgegenwinkt, erwartet Bargeld – warum? Ich bin ja auch immer freundlich, höflich, zuvorkommend – zumindest zu Menschen, die ich nicht kenne (wo ich also noch noch nicht weiß, ob es sich ggfls. um ein Arschloch handelt) und zu Menschen, die freundlich zu mir sind oder eine freundliche Aura haben – mich bezahlt dafür aber ja auch niemand. Wer mich mit einem Gesicht wie 7 Tage offenes Raucherbein begrüßt, flapsig wird oder sonstwie nervt, der kriegt natürlich auch keine Liebe zurück, so einfach ist das. Aber warum muss man hier mit Dollar-Noten um sich werfen, als hätte es die Subprime-Krise nie gegeben?

Nehmen wir diesen einen Typen da neulich vor mir in der Taxi-Warteschlange, der dem Hotel-Cooperator, welcher die Taxis heranwinkt und einem die Tür aufhält, einen Dollar in die Hand gedrückt hat. Die 10 wartenden Menschen vor ihm taten es nicht und ich sah das auch irgendwie nicht ein. Türaufhalten für ’nen Nickel, top Geschäftsmodell – stell‘ ich mich am Montagmorgen in der Einkaufsmall vor den Haupteingang und bin am Freitagabend Billionär! Als ich dann unvertippter Dinge losfuhr, guckte er bestürzter als Jemand, der bei einem Erdbeben in Pisa links vom Turm steht stand. Sünde.

Dann auch die Frage: wieviel? Fistformula: 20% vom Rechnungsbetrag? Das ist beispielsweise in den Taxis in den Staaten die niedrigste Option, wenn man mit Karte zahlt. 20, 30 oder 40% – oder auch gar nichts, aber dann wird man vermutlich aufgefordert, in das aufwärtsfahrende Seitenfenster zu beißen. Und was, wenn es gar keinen Rechnungsbetrag gibt? Was bekommt der Kofferträger? Differiert das, je nach Anzahl der Sterne des Hotels? Oder nach Laufweg, multipliziert mit dem Gewicht der Bagage? Und was bekommt die Putzfrau? Nur das Kleingeld? 68 Cent für eine Woche Kissen aufschütteln – und der Türaufhalter bekommt einen Schein? Da stimmt was nicht.

Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht geizig. In Restaurants und beim Friseur mach‘ ich immer 15-20%, aber mit Taxitüraufhaltern, Restroom-Servicekräften und Kissenaufschüttlerinnen kenn‘ ich mich nicht aus, was mich nach 2-3 Tagen USA nervlich ruinierte. Ich überlegte also, bei der nächsten, betippungswürdigen Geste rauszuhauen – und das nicht zu knapp, für all‘ meine blamablen Tippingfehler aus der Vergangenheit gleich mit. Ich stand da also erneut in einem Restaurant, in welchem man sich Fleischsorte und -gewicht von den Leuten hinter dem Tresen frisch zurechtschustern lassen konnte. Der Typ machte das hervorragender als ein Überbiss, selbst bei den Beilagen beriet beraht berut er mich einwandfrei; wenn mich nicht alles täuschte, schenkte er mich sogar 34g Beef – das war’s, der Typ sollte kriegen! Ich reichte also einen Zehner über den Tresen, woraufhin er mir mitteilte, dass ganz am Ende, an der Kasse bezahlt wird. „No no, it’s tip, for you, man!“. Seine Miene nahm eine ramonaleiß’sche Mundwinkelhängerigkeit an (ich guck‘ das nicht! Nur eine Folge, wegen Ailton), „We’re not allowed to take tip here!“. Ach so. Ja dann halt nicht. Nie wieder! Nicht mal mehr die Lottozahlen werde ich tippen, ist doch alles ein Irrsinn.
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[Der Vegas-Vlog Dienstag um 22.00h – wird 25 Min. lang sein. Get your Gebäck on!]

Kommentare

20 Antworten zu “Tipping Struggle – Immer Ärger mit dem Trinkgeld”

  1. Jimi sagt:

    Gute Story.
    Ich hab das selbe Problem!
    Auch nervig:
    Es steht ja denn auf der Rechnung nicht mit drauf.
    Man kann’s also auch nicht als Geschaeftsausgabe verbuchen!

  2. Florian sagt:

    ist das in america nicht historisch so, dass die „dienstleistungskräfte“ kein gehalt bekommen sondern vom tip leben?!
    also inzwischen sind grundgehälter die regel … aber die relation ist wohl so, dass die 200 euro gehalt und den rest als tip bekommen — oder auch eben nich.

  3. Babel sagt:

    vorallem nicht in großen Einkaufszentren in den Toiletten Trinkgeld geben, das bekommen die Putzfrauen (ja ich weiß – Reinigungsfachkräfte) nämlich garnicht selber. Kennt ihr sicher, dieser ominöse Teller mit Geld wo man schonmal 50cent reinwirft weil man die nette Dame dort sitzen sieht.

    http://blog.babeltech.de/2009/10/gibst-du-auch-schon-brav-trinkgeld/

  4. _F sagt:

    in Chicago kam die etwas maulige Servicekraft sogar an den Tisch zurück und meinte, dass es zu wenig Tipp sei… (es war nach heimischem Maß gut bemessen) Auf die nette Frage, was man denn so gäbe, und wie das hier gehandhabt würde, meinte sie, dass wir das schon selbst wissen müssten…
    Ist wohl schon ungeschriebenes Gesetz mehr zu geben als hierzulande. Aber auf der Rechnung steht der Kram nicht. Und mit dem Steuern war das in Sachen Resataurant irgendwie auch nicht ganz ohne, oder wie war das?

  5. Florian sagt:

    die american umsatzststeuer – vat – funktioniert anders als bei uns.
    erstmal ist der steuersatz vom einen zum anderen bundesstaat fast nie gleich und die haben in der regel auch noch mindeststeuerbeträge … deswegen kann man in america keine brutto-preise auszeichnen, sondern das ist alles netto, auch im restaurant.

    ich konnte mir in kanada die ganze vat aber wiederholen — weil tourist und so. ich weiß nich, obs das überhaupt noch gibt oder wie das in den usa geregelt ist.
    (bei der ausreise aus den usa hab ich zwar dran gedacht, war dann aber urinös beschäftigt und bin beinahe noch in irgendwelche customs-körperöffnungs-examinations-dingens geraten)

  6. Denis sagt:

    Kann ich gut verstehen,
    das Problem, welches auch Auftritt, wenn man mit mehreren Leuten unterwegs ist und nur einer von Ihnen hat z.B. in der Gastronomie gearbeitet – und möchte dann immer sehen, das man dem Kellner viel Trinkgeld gibt, weil es ja so schlecht bezahlt ist etc. – und dann denkt man, man ist mir 1€ -2€ schon gut dabei, aber nein, es müssen am Liebsten 4€ – 5€ sein, wo ich Mir dann auch meist denke – sorry aber mich bezahlt auch keiner dafür extra, das ich meinen Job mache.

    Eine Neverending Story das Thema

  7. Venture sagt:

    Tipping? ;-) Du kennst meine Einstellung dies bezüglich. Wer so dreist ist, und einfach einbehalten will und es als ganz normal sieht und blöd fragt wieviel ich zurück will, der kriegt weniger (Taxi). Wer nett und freundlich ist und nicht dreist ist (die Gute aus dem lynyrd skynyrd BBQ and Beer Schuppen), der kriegt auch gern was. :-P

  8. Siggi sagt:

    Auch schoen in den USA: fuer die trotteligen Touristen wird der Tip schon mal auf den Rechnungsbetrag aufgeschlagen, da gibts extra ein Feld fuer auf dem Formular, wenn man da nicht aufpasst, ver“tip“pt man sich derbe doppelt und „Roger“ (Symbolname) macht einen natuerlich nicht auf den Fauxpas aufmerksam…es gibt auch eine schoene Folge „Curb your enthusiasm“, in der Larry dem Tipping mit all seinen Fettseen naeherkommt.

  9. Mithrandir sagt:

    Tja, die Kulturen, gell?
    In USA lebt die Servicekraft halt hauptsächlich vom Trinkgeld. Isshalt so dort. So wie die Amis nicht so recht verstehen, dass man bei uns meistenerorts Pfand für den Einkaufswagen zahlen muss.
    In den Restaurants ist es fast immer so, dass alle Tipps in eine Topf gehen und am Schluss geteilt werden. Kann der eine Kellner ja nix dafür, dass seuin Areal heute niemabnd besuchen will.
    Und der Koch schon gar nicht.

  10. Da ich damals immer auf Großveranstaltungen gekellnert habe (und heute immer noch ab und an), weiß ich wie wichtig ein solches Trinkgeld ist. Wer gut arbeitet und freundlich ist, bekommt auch gutes Trinkgeld. Wer gut kellnert hat locker genauso viel Trinkgeld wie Lohn an einem Abend.

    Wer aber scheiße arbeitet und unfreundlich ist, rotzig daher läuft und total unkompetent ist bekommt von mir nichts (sehr selten, kann aber passieren). Wäre ich in den USA, hätte ich also auch solche Probleme. Ich gebe das Trinkgeld nach meinem ermessen und laße mir nicht vorschreiben wer was bekommt! Solen die mich doch doof angucken, ich kann sicherlich noch schrecklicher zurück glotzen :D

  11. Gunnar sagt:

    Ich versteh ja den Tipping-Scheiß hier in Germany schon nich. Weshalb soll ich dem Pizza-Boy Trinkgeld geben, aber der freundliche, amazonpaketeschleppende DHL-Mann bekommt nix. Und wieso geb ich dem Barmann zusätzlich noch extra Geld zu einem eh schon teuren Bier, wenn das Mäuschen am Kassenautomaten beim Feinkost Albrecht traditionell nix bekommt? Der Zugführer/Schaffner bekommt nix extra, dafür dass er meinen Arsch durch die Gegend fährt, aber der Taxifahrer hätte gerne etwas? Haeh?

  12. denzel sagt:

    „guckte er bestürzter als Jemand, der bei einem Erdbeben in Pisa links vom Turm steht stand. Sünde.“

    missed that! ^^

  13. Einer von den Zwillingen sagt:

    Komm mal her nach Kairo, Trinkgeld nennt sich hier Baksheesh und wird immer und überall fällig. Niemand macht etwas aus Hilfsbereitschaft oder gar Feundlichkeit, sondern nur für Baksheesh. Über den Monat gerechnet wird das viel Geld. Ich rede nicht von Restaurants etc., wo ich es gerne gebe, sondern von jedem anderen Kleinkram, den man eigentlich aus Freundlichkeit tut; nicht jedoch hier.

  14. MC Winkel sagt:

    @Jimi: Eben. Hab mir in Vegas immer Quittungen geben lassen… (und sorry nochmal wg. Do., aber wir mussten los. Am Tag drauf hab‘ ich mich gefreut! War aber super, gerne wieder! :))
    @Florian: Kann man so pauschal glaub ich auch nicht sagen. Wie gesagt – klar gebe ich. Ich weiß nur immer nicht, wieviel…
    @Babel: ACH DA SCHAU HER! Hab in FFM in der Lounge am Flughafen der Alten nen 5er in die Hand gedrückt. Hoffentlich bleibt wenigstens das dann bei Ihr.
    @_F: Warst Du im Urlaub/geschäftlich da? Ganze ehrlich: in so einem Fall gar nichts geben, das hat ja null Gesicht.
    @Florian: Hör mir bitte damit auf. Ich gebe alle Belege 1x im Monat in meinem Steuerbüro ab (dem besten aus Kiel! Wer ’nen Tipp will: holla @ me. Die Leute da sind 1A!) und bekomme bei den ausländischen Belegen immer Schimpfe, weil teilweise keiner weiß, was das ist. Und ich dann auch nicht mehr. :)). Um sowas möchte ich mich somit bitte nicht kümmern. VAT. Pfft. :)
    @Denis: Hängt doch aber auch immer davon ab, wie man nun bedient wurde. In Santa Barbara hatten wir in dieser Villa da Servicekräfte, denen hätte man aus Dankbarkeit eigentlich einen Heiratsantrag machen müssen – top!
    @Venture: *lol* ja, Homie, ich erinnere mich! „Erstmal alles zurück, bitte!“ – herrlich. So auch noch nicht gesehen. Kennst ja meine Einstellung dazu – zu umständlich! :)
    @Siggi: WOHER KENNST DU ROGER?! (Ernsthaft! Guck morgen mal das Vlog!) Und ja, kenne das. Und die Larry-Folge hab‘ ich natürlich auch gesehen. Wann geht es da eigentlich weiter?
    @Mithrandir: Bleibt die Frage: wieviel? :)
    @Vorstadtprinzessin: Ich glaube, deshalb mögen die uns da teilweise auch nicht. Die sollen mal ein Tipping-Viral auf youtube spreaden, so als Bedienungsanleitung… :)
    @Gunnar: Es ist eine Farce! :)
    @denzel: :)) … ist diesmal wirklich länger her. War busy. :)

  15. MC Winkel sagt:

    @Einer von den Zwillingen: Einer von den G-Twins?! Klar, Kairo! Moin, ALter, was geht sonst in Kairowski? Zum Thema: ich kann es mir vorstellen. Muss berven, wenn man wie Du … länger dort ist. LG

  16. n1Ls sagt:

    Ich sehe das ähnlich wie Gunnar.
    When it comes to Trinkeld… verweise ich immer gerne auf die Eröffnungsszene von Reservoir Dogs ;)

  17. SirDregan sagt:

    @Jimi: Doch, kann man. Einfach handschriftlich dazuschreiben. Wird bei uns so gemacht :)

  18. _F sagt:

    @MC Winkel: halb Job, halb Urlaub. Wie Sie, Herrr Winkelsen. Some Pics: http://www.flickr.com/photos/falkseyen/sets/72157629033329163/

  19. MC Winkel sagt:

    @_F: Auch Blogger?! :) Chi-City soll ja dope sein, muss ich auch mal hin. Nach diesen Fotos da jetzt erst recht! :)

  20. _F sagt:

    @MC Winkel: Kein Vollblutblogger, nein. Das „wie Sie“ bezog sich auf die Art der Reise. Halb Arbeit, aber dann doch Urlaub. Damals Student, Studienreise, deswegen nicht wirklich Job, aber eben doch keine pure Seelenbaumelei. Chicago ist auf jeden zu empfehlen! Muss!

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