Unweeding – Mein Cannabis Geständnis // Teil 5: Psychische Abhängigkeit und Entzungssymptome

unweeding_5_final_purple_haze Cannabis Entzungssymptome

Teil 1: Vorwort
Teil 2: Die Anfänge
Teil 3: Die Sorten und die Wirkung
Teil 4: Cannabis Produkte auf Reisen

Im Mai reiste ich dann für ein paar Tage nach Valencia und wie immer nahm ich kein Weed mit. Niemals in den Flieger, niemals über die Grenze. Ähnlich wie auf Curacao hatte ich Probleme mit dem Einschlafen, auch hier musste ich auf Schlaftabletten zurückgreifen und anstatt zuhause dann endlich mal den Konsum zu reduzieren, weedete ich wie gehabt weiter. Den Sommer über blieb ich dann in Kiel, was mir inzwischen auch gut passte, weil ich so ja ungestört weitersmoken können würde. An einem lauen Sommerabend fiel mir ein, dass ich irgendwo im Keller noch den alten Bong einer Ex-Freundin haben würde. Das Ganze war jahrelang her und ich erinnerte mich, dass ich seinerzeit unter keinen Umständen wollte, dass sie kifft, wenn wir zusammen waren. Sie überredete mich eines Abends, wir rauchten und guckten Southpark. Der Sex war auch ziemlich intensiv auf Weed, zumindest in der Eigenwahrnehmung – von oben betrachtet war das aber eher Pathos. Ich machte mich auf die Suche und fand im hinterletzten Karton ziemlich weit unten das durchsichtige Plexiglas-Teil, selbst das Chillum war noch gebrauchsfähig. Ich probierte es aus, kam mir allerdings ziemlich junkieös und auch ein bißchen schäbig dabei vor. Die Wirkung kam schneller, auch etwas heftiger, ging aber auch schneller vorbei und wenn ich in diesem Moment meine Lunge gewesen wäre, ich hätte mir eine gehörige Portion Kasperklatsche verabreicht. Dennoch bewahrte ich den Bong (in Kiel sagte man immer der, nicht die Bong) auf dem Küchenschrank auf, falls es mal schneller gehen musste. Wie super lame.

Gut geschlafen in Kopenhagen

Dann sollte es Ende Juli mit Freunden nach Kopenhagen gehen, hier war klar, dass unsere Hauptdroge der (dumme) Alkohol sein würde. Ist halt immer noch die Nummer 1 Weggeh-Droge, weltweit, auch wenn sich jährlich 2,5 Millionen Menschen totsaufen. Die Zahl der sich totgekifften Menschen aus den letzten 14,5 Milliarden Jahren (also ab Urknall) = 0. Dennoch tat ich etwas, was ich vorher noch nie gemacht habe: ich nahm etwas Kush mit ins Handgepäck, weil ich keine Lust auf die Schlaftabeltten hatte. Und als ich dann angetrunken ins Hotel zurückkam, habe ich mir für die Nacht noch einen angeschmaust. Heute sehe ich das als ganz klares Zeichen einer psychischen Abhängigkeit, seinerzeit fand ich das glaub‘ ich sogar noch cool. Und geschlafen habe ich ja auch toll, immerhin.

Er wird doch jetzt aber nicht phlegmatisch?

Das ging dann auch die nächsten paar Wochen immer noch so weiter, bis ich eines Tages feststellte, dass sich auch mein Wesen, mein Charakter, mein alltäglicher Grundswagger so ein wenig veränderte und das nicht unbedingt in eine positive Richtung. Als Allererstes wurde ich gechillter, was vielleicht smooth klingt, aber eher so in Richtung fahrlässige Faulheit und Phlegma ging. Man wurde gleichgültiger, machte nicht mehr so besonders viel aus eigenem Antrieb heraus, man freute sich nur auf den Abend, auf den Entspannungsjoint, der inzwischen mehr zu einer nötigen Einschlafhilfe geworden war, als dass er inspirierte. Die psychische Wirkung der ersten Wochen und Monate blieb fast aus. Man wurde nur noch langsamer, die Augen wurden rot, aber das eigentliche High blieb aus, zumindest bei dieser niedrigen Dosierung. Darüber hinaus stellte ich fest, dass ich im Alltag partiell noch unruhiger wurde, fallweise sogar grundlos aggressiv. Ich hatte so ein wenig das Verlangen, auch tagsüber etwas zu rauchen und so langsam gingen mir auch die Argumente aus, mir das „EsistdochnureinlütterJointamAbend“-Gesmoke schönzureden. Und dann hörte ich auf.

Eine leichte Gereiztheit setzte ein

Dazu kam, dass mein Ausstatter ja selbst sein bester Kunde und was Zuverlässigkeit betraf, nicht unbedingt Levonorgestrel war. Er antwortete immer nur, wenn es ihm passte, oft auch gar nicht und diese Ignoranz half mir sehr. Von einem Tag auf den Anderen rauchte ich also gar kein Weed mehr. Die ersten 2-3 Tage waren noch okay, ich war schon der Meinung, überhaupt keine Probleme zu bekommen, sollte mich aber irren. Ich wurde immer unruhiger, immer nervöser und war sehr leicht gereizt. Meine Stimmung konnte man in dieser Zeit auch eher mit dem Prädikat instabil versehen, das Schlimmste aber waren meine Schlafstörungen. Ich wurde einfach nicht müde, und wenn ich nach 2-3 Stunden des Herumdrehens endlich eingeschlafen war, hielt das so für 3-4 Stunden. Ich wachte schweißgebadet auf und war hellwach. Konnte nicht mehr weiterschlafen. Ich versuchte es zwar, es half aber nichts. Die Vormittage waren dann bestimmt zwei Wochen lang die reinste Hölle. Unkreativ, uninspiriert, träge, körperlich am Ende, Hitzewallungen, Kopfschmerzen – das ganze Programm. Von nur einem einzigen verf*ckten Joint pro Abend, wie kriegt Frank J. Underwood das denn bitteschön geregelt? Zum Abend hin wurde es dann immer etwas besser, was aber nicht so besonders förderlich war, denn: fit am Abend hieß, man würde wieder nicht einschlafen können.

Und was ist mit Craving?

Thema Craving, auch ein Hurensohn. Gerade wenn es einem so schlecht geht und man weiß, dass ein kleiner Joint auf jeden Fall bezüglich der Schlaflosigkeit helfen würde, endlich wieder ein- und durchschlafen; dann ist es besonders gefährlich. Ein unfassbar intensives Verlangen, wenn ich da noch etwas Ganja im Küchenschrank gehabt hätte – lange wäre es da nicht geblieben. In diesen Momenten zeigt sich, wie nervenstark man wirklich ist und glaubt mir: man braucht sehr, sehr starke Nerven. Meistens flachte dieses Hardcore-Verlangen nach 20-30 Minuten wieder ab, aber macht das mal zwei Wochen lang mit. In dieser Zeit habe ich mir immer wieder bewusst gemacht, warum ich nicht mehr smoken wollte: es schränkte mich ein. Und alles, was einen einschränkt, ist Scheiße. Ich war offensichtlich abhängig, etwas anderes hatte mich – den FreedomBrother#1 – unter Kontrolle. Das wollte ich niemals. Und diese beiden Tatsachen liessen mich auch durchhalten, so schwer das auch war und so mies ich auch geschlafen habe.

No Judgement anymore!

Jetzt bin ich – und darüber freue ich mich tatsächlich sehr – seit sieben Wochen weedfrei! Ich fühle mich fantastisch. Mache seither noch mehr Sport (5kg abgenommen), bin wieder voller Tatendrang, die Birne läuft auf Hochtouren (sicherlich auch zu Lasten einiger Personen aus meinem direkten Umfeld), die Lebensqualität hat sich um einiges gesteigert. Ich glaube, das ist jetzt gar nichts Neues, aber ich musste diese Erfahrung selbst machen, damit ich mich jetzt auch hinstellen kann um festzustellen: die coolsten Leute sind die, die gar keine Drogen nehmen (Alkohol als harte Droge natürlich inbegriffen!), die sich durch sich selbst und durch das, was sie machen, in ein natürliches High versetzten. Amy Poehler sagte einmal den schönen Satz

„I want to be around people that do things. I don’t want to be around people anymore that judge or talk about what people do. I want to be around people who dream, and support and do things.“ (Pic)

… und ich bin der Überzeugung, dass wenn man sich sein Leben danach so ein bißchen ausrichtet, dann fehlt es einem an nichts. Droge Leben, viel geiler.
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[Disclaimer: bitte nicht als Zeigefinger verstehen, macht, was Ihr wollt. Aber in Maßen und auf gar keinen Fall täglich, echt jetzt. PSA: Es werden hier auf WHUDAT weitere Folgen in dieser Thematik kommen, in welchen es um die Legalisierung in den USA und in Deutschland, medizinisches Cannabis und die Pharma Industrie, den Rausch als Kulturgut undundund gehen wird – bleibt dran!]

Kommentare

7 Antworten zu “Unweeding – Mein Cannabis Geständnis // Teil 5: Psychische Abhängigkeit und Entzungssymptome”

  1. singhiozzo sagt:

    Beeindruckende Serie! Finde ich gut, dass du sowas hier reinhaust und gleichzeitig verdammt mutig, diese „Beichte“ öffentlich zu machen!

  2. Nina sagt:

    Danke. Für die Ehrlichkeit, Offenheit und das Erfahrungen-Teilen.
    Jetzt kann ich mir noch besser vorstellen, was in den Köpfen meiner „Jugendzeitfreunde“ abgegangen und schiefgelaufen ist.

  3. jeffie sagt:

    „die coolsten Leute sind die, die gar keine Drogen nehmen“

    Danke!

    Diese Erkenntnis fasst Deine Serie beeindruckend zusammen.

    Danke für Deine Ehrlichkeit & Offenheit!

  4. MC Winkel sagt:

    @singhiozzo: jo, Danke Dir. Aber ich hatte das ja woanders schon einmal gesagt: Weed ist ja nun endgültig in der Gesellschaft angekommen, ich finde es daher eher „notwendig“ als „mutig“, darüber zu schreiben. Wenn ich die Kurve am Ende allerdings nicht bekommen hätte, … wer weiß, dann hätte ich verutlich nie darüber geschrieben.

    @Nina: Gerne. Was Deine „Jugendzeitfreunde“ betrifft: ich hatte auch 50% Weeder im Freundeskreis, ich hab das damals (Gott sei Dank) nur nicht vertragen. War zu jung dafür, oder … zu unreif. Die Gefahr ist halt, dass es schleichend zur Abhängigkeit wird, ohne, dass man es so richtig mitbekommt. Wenn man es als Genussmittel einsetzt, dann funktioniert es sehr gut. :) Ich werde sicherlich auch mal wieder einen Rauchen, genau so wie ich mich auch bestimmt mal wieder betrinken werde (wobei Letzteres deutlich ekelhafter, dafür aber ja legal ist). Die Kunst ist es eben, es stets als „Genuss“ zu verstehen und nicht zu übertreiben, was wiederum nicht so einfach ist, weil: es macht ja Spaß. Wie alles, was süchtig macht.

    @jeffie: … es hat lange gedauert, bis ich das begriffen habe. Ich hielt die Nichttrinker und die Nichtraucher immer für langweilig, dabei waren sie immer cooler, weil sie den Scheiß halt nie brauchten.

  5. Anke sagt:

    Vielen Dank für diese Eindrücke aus einer Welt, die ich bislang noch nicht so wirklich kannte. Vor allen Dingen danke ich für die offene, selbstkritische und neutrale Berichterstattung, ich habe bis zu dieser Serie niemals wirklich verstehen können, warum Menschen Gras in Papier drehen und warum sie es genießen, jetzt habe ich ein größeres, bunteres Bild bekommen. Vielleicht rauchen wir ja mal einen zusammen, Herr Winkel?! ;o)

    Ich freue mich auf weitere, aufklärende Beiträge hier im Blog, jetzt bin ich neugierig geworden (und muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht wusste, daß Gras im Gegensatz zu Alkohol so ungefährlich ist).

  6. Daedalost sagt:

    Interessant, dass MC Winkel so viele Jahre gebraucht hat, um zu der Erkenntnis zu kommen. Du bist eine Person, der ich sowas nicht unbedingt zugetraut hätte, häufig neigen Freiheitsmenschen, Künstler usw. zu einem laxen Umgang mit Drogen. Hast du ja auch gemacht. ;-)

    Ich aber jedenfalls lebe mein Leben lang nach der Devise “ die coolsten Leute sind die, die gar keine Drogen nehmen“ bzw. ich für mich brauche keine Drogen. Das Leben ist schon so Film genug, da brauche ich keinen auf Drogen fahren. :)

  7. Franzl sagt:

    Hey MC, ich wollte mal nachhören wie dein Unweeding-Prozess so läuft. Bist du noch dabei, oder gab es einen kleinen Abstecher in die Vergangenheit?

    Fette Grüße,
    Franzl Paffka

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